Dr. Bette
Über unseren "Heimatstrom", seine Quelle und Entwicklung, seine Neben- und Zuflüsse sowie über die vielen Änderungen, die er im Laufe der Jahrhunderte hat erleiden müssen, herrschen viele unrichtige Meinungen. Den meisten Heimatgenossen werden die Einzelheiten über Entstehung, Verlauf und Schicksale der Boy völlig unbekannt sein. Deshalb soll darüber ausführlicher berichtet werden.
Die ersten, kurzen Mitteilungen über den einzigen größeren Bach unserer Heimatstadt finden sich in den Niederschriften über die Grenzbegehungen, die auf Anordnung der neuen bergisch-französischen Verwaltung im Jahre 1811 durch die Bürgermeister (Maires) von Bottrop, Kirchhellen und Buer bei der völligen Umgestaltung der vestischen Gemeinden und Gemeindegrenzen abgehalten wurden. 1) In der Niederschrift über den Schnatgang zwischen Bottrop und Kirchhellen heißt es: "Vom Rehkämmerchen (in Bischofssondern) fließt ein Bach nach der Stellenbraucks Wiese und an dieser vorbei unter dem Namen Stellenbraucksbach bis an die Brücke beim Schönhörster und weiter bis an die Boy. In dieser fließt der Stellenbraucksbach zwischen vom Vöingsholz und den Wiesen des Eingesessenen Borgwerth in Rentfort. Hierauf macht die Boy die Grenze bis da, wo dieselbst (Boy) nach der Horst fließt und ein Graben um die Gemeinheit geht, an dem Pelkumer- oder Motbrauck. Der ganzen Grenze nach liegt rechts die Mairie Bottrop und links die Mairie Kirchhellen." Sellenbrauck-Sellenbrock ist ein Flurbezirk im Kölnischen Wald nördlich von Bischofssondern. Der nach ihm benannte heißt heute Spechtsbach. Schönhörster-Schienhörster. Der Graben, der früher die Gemeinde Bottrop nach Südosten gegen Horst und Karnap begrenzte, war zum Teil die Mühlenflötte, die die Mühle des Hauses Welheim antrieb, zum Teil die Aspelflötte.
Ausführlichere Nachrichten über die heimischen Bäche erhalten wir durch die Ortschroniken, die in der Zeit von etwa 1818 bis 1830 und später von den Bürgermeistern geschrieben worden sind. Auch diese Nachrichten enthalten neben vielem Richtigen manches Falsche. Über die Boy und andere Bäche schreibt der Bürgermeister Wilhelm Tourneau in der Chronik der Kirchspiele Bottrop und Osterfeld: 2) "Östlich und südöstlich fließt der an der Grenze von Kirchhellen entspringende Boybach, der bei starken Regengüssen schnell und bedeutend anschwillt und so im Sommer oft großen Schaden verursacht, im Winter aber die anschließenden Wiesen befruchtet. Er bedarf zur Abstellung des ersten Übelstandes jährlicher Reinigung, und er ergießt sich unterhalb Karnap in die Emscher. - Südöstlich fließt auch der Spieck- und Flötte-Bach, der hier die Grenze zwischen Bottropp und Carnap bildet; auch dieser mündet in die Emscher, welche südlich von Bottropp die Grenze gegen Borbeck bezeichnet. Die Emscher ist ungleich stärker als die Boy, indem sie den Abzugs Canal von Dortmund abwärts, für den höher liegenden Theil von Recklinghausen, die Grafschaft Mark und dem Stifte Essen abgibt; sie ist aber auch noch verderblicher im Sommer und noch fruchtbringender im Winter als der Boybach, daher in jüngerer Zeit durch Verstreckungen derselben, Anlagen von Umfluthen bei dem unterhalb liegenden Mühlen in Osterfeld und zu Oberhausen, sowie durch Erweiterungen und Räumungen viel hat geschehen müssen, um die Sommerschäden abzuwenden und dennoch die Wohlthat der Winterfluthen zu erhalten. - Ferner fließt der Spechtbach, indem er aus dem Bischofsundern und Fernewald entspringt und die Grenze gegen Kirchhellen bildet, etwas unterhalb der Quelle der Boy in diese. Ein dritter Bach ist die Forth (heute Vorthbach), die ebenfalls im Bischofsundern entspringt, die Bauerschaft Eygen durchfließt, die Stenkhoffsche Mühle treibt und hierauf in die Boy fließt. Hiernächst ist nur noch die Mühlenflötte zu nennen, welche theils aus der Boy oberhalb Haus Welheim, wie sie die Mühle treibt, gespeiset wird, theils entspringt sie in Lehmkuhle, wo sie sich etwas oberhalb (Haus) Knippenburg in die Emscher ergießt".
In der Chronik der Gemeinde Gladbeck führt der Bürgermeister Tosse aus: "An Bächen sind vorhanden: 1) die Boy, 2)der Hahnenbach, 3) der Lindgensbach, 4) der Rentropper Mühlenbach, 5) der Wittringer Mühlenbach, 6) der Niewegsbach, 7) der Quelingsbach. Die Boy, welche zugleich die Scheidung zwischen den Kirchspielen Gladbeck und Bottrop bildet, entspringt im sogenannten Burenbrock, Kirchspiels Kirchhellen, wird dort Brabecker Mühlenbach genannt und fließt durch das sogenannte Spick zur Haupt-Emscher. - Der Hahnenbach entspringt in Bergmanns Dahl, der Lindgensbach bei Hieschenkemper, der Rentroper Mühlenbach in den Offerdörnen, der Wittringer Mühlenbach in der Lehmstraße, der Niewegsbach bei Heidfeldsbusch, der Quelingsbach bei Große Döveling in Rentforth. Diese Bäche fließen sämtlich zur Boy".
Der Lindgensbach, der an dem Hofe Lindgen, heute Stens-Schulte Rebbelmung vorbeifließt, heißt jetzt Nattbach. Den Rentroper Mühlenbach, der die Mühle des Bauern Schulte Rentrop in der Nähe der späteren Zeche Graf Moltke I/II trieb, sieht man jetzt als Oberlauf des Wittringer Mühlenbachs und nicht mehr als selbstständigen Bach an. Die Niewegsbach wird heute Haarbach genannt, und der Quelingsbach, der an dem Hofe, der jetzigen Wirtschaft Queling vorbei floss, ist kein selbstständiger Bach, sondern ein Nebenfluss des Brabecker Mühlenbaches.
So mischt auch Bürgermeister Tosse in seiner Chronik Richtiges mit Falschem. Es gilt nun, die Irrtümer über die Entstehung und den Verlauf der Boy und ihrer Nebenbäche richtigzustellen, Ausführlicheres über die mitzuteilen, vor allem die gewaltigen Änderungen darzulegen, die seit 1907 durch die Regulierung der Emscher sowie ihrer Neben- und Zuflüsse herbeigeführt worden sind.
Nach alter Auffassung entsteht die Boy aus der Vereinigung des Spechtsbaches und des Brabecker Mühlenbaches, die unmittelbar neben der Rheinischen Bahn Oberhausen-Kirchhellen-Rheine, zwischen der Hegestraße und dem Hofe May-Lahove (Hornstraße), zusammenfließen. Diese Auffassung jedoch ist abzulehnen. Dasselbe gilt von der Darstellung in der Festschrift "25 Jahre Emschergenossenschaft 1900-1925", S. 138, die Quellbäche der Boy seien die kleine Boye (!), der Vorthbach, der Spechtsbach und der Brabecker Mühlenbach. Richtig ist die Auffassung, dass die sogenannte kleine Boy der Quellbach, d. h. der Oberlauf ist, während Mittel- und Unterlauf den Namen Boy führen. Spechtsbach, Brabecker Mühlenbach und Vorthbach sind also keine Quellbäche, sondern nur als Nebenbäche anzusehen.
Wo entspringt nun die kleinen Boy? Ihr Ursprung liegt in der Mitte der Bauerschaft Kirchhellen-Holthausen auf der "Kämpe" zwischen den Kotten Stemmer und Wachtmeister. Genauer gesagt: Die entspringt auf dem Grundstück von Fritz Spirres und einem Grundstück des Kottens Rademacher, jetzt Haseke. Schon bald erhält die Zufluss durch die Christfurth von Rexforth, heute Eulering. Zunächst fließt die kleine Boy etwa 800 m ostwärts, wendet sich rund 250 m von der Straße Dorsten-Sterkrade in einem Bogen nach Süden, verläuft dann in einer Entfernung von 150-180 m der genannten Straße parallel, fließt ein wenig nach Südosten, um bei Otte unter der Straße Dorsten-Sterkrade ostwärts nach Overhagen zu gelangen. Eine Zeitlang hält die kleine Boy die Ostrichtung bei, verläuft in einem Bogen südöstlich und nimmt 150 m nördlich vom Hofe Borgwerth, kaum 100 m von der Bahn Oberhausen-Rheine entfernt, links den von Norden kommenden Brabecker Mühlenbach auf. Durchihn verstärkt, fließt die Boy südwärts am Hofe Borgwerth vorbei, dessen Gräfte speisend, geht unter der Hegestraße her 150 m weiter, empfängt recht die Wasser des von Westen kommenden Spechtsbaches gerade vor der Rheinischen Bahn, durchfließt etwa 300 m nordwestlich von May-Lahove, einen Durchlass dieser Bahnlinie und bildet von jetzt ab die Grenze zwischen Gladbeck und Bottrop. Im weiteren Lauf beschreibt die Boy einen nach Westen geöffneten, vielfach gewundenen Kreisbogen, bis sie bei Karnap in die Alte Emscher mündet.
Bis ins 16. Jahrhundert reichen die Klagen über die Überschwemmungen der Emscher und ihrer Nebenflüsse zurück. Alle Versuche, diese Übelstände zu beseitigen, hatten nur geringen Erfolg. Als nun seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts Bergbau und Industrie, von Süden kommend, immer mehr ins Niederschlagsgebiet der Emscher einrückten, zahlreiche Werke entstanden und die Bevölkerungsziffer gewaltig wuchs, erhöhten sich die Missstände ins Unerträgliche. Nicht allein weil durch Bodensenkungen das Gefälle in der Emscher und den Vorflutern verschlechtert wurde, die Überschwemmungen sich ausbreiteten und die niedrig gelegenen Gebiete versumpften, sonder es lagerten sich auch vor den Mühlen und in den ständig wie zeitweilig überfluteten Gebieten die Schmutzstoffe ab, die aus den industriellen Werken und den Haushaltungen den Vorflutern zugeführt wurden. Zur Behebung dieser und anderer Missstände wurde am 7. April die Emschergenossenschaft gegründet die sowohl die Regulierung der Emscher wie auch, soweit es nötig war, die den Neben- und Zubäche bezweckte. Die Sonderpläne für die Regulierung der Neben- und Zubäche sahen von Anfang an vor, diese als offene Abwässerkanäle auszubilden, ihren Lauf also zu begradigen, das Gefälle zu Verbessern und die Wandungen mit glatter Auskleidung zu versehen. Dem Fortschritt der Bauarbeiten an der Emscher folgend, deren Ausbau die Voraussetzung für die Regulierung der Nebenbäche war, wurden die Bauarbeiten für diese in Angriff genommen. 3)
Von den rechtsseitigen Nebenflüssen der Emscher hat die Emschergenossenschaft, abgesehen vom Hellbach, sich zuerst mit der Regulierung der Boy beschäftigen müssen; denn sie war ein typisches Beispiel dafür, wie in kurzer Zeit ein reiner Bachlauf in einen Schmutzwasserkanal verwandelt wurde. Noch bei der Gründung der Emschergenossenschaft im Jahre 1904 war die Boy ein reiner Bach, der durch seinen Fischreichtum weithin bekannt war. Das Chemische Laboratorium der Emschergenossenschaft bezog damals mit Vorliebe für Versuchszwecke Fische, die aus der Boy stammten. Mit Rücksicht auf den überwiegend landwirtschaftlichen Charakter des Gebietes, besonders im Mittel- und Oberlauf, waren die Zechenverwaltungen bestrebt, ihre Abwässer aus dem Gebiet fernzuhalten. Zu dem Zweck hatte z. B. die Zeche Graf Moltke für die Abführung ihrer stark salzhaltigen Grubenwässer einen eigenen Abflusskanal nach der alten Emscher in Horst angelegt. Ebenso führten die später entstandenen Möller- und Rheinbabenschächte ihre Grubenwässer in einer mehrere Kilometer langen Leitung durch den schon verschmutzten Piekenbrocksbach der Emscher zu. Das Bild änderte sich aber mit einem Schlag, als die Zechen Mathias Stinnes und Graf Moltke, die ihre vier Doppelschachtanlagen im großen Maße ausgebaut und durch umfangreiche Nebenproduktiongewinnungsanlagen erweitert hatten, ihre Abwässer der Boy zuführten. Bald folgte auch der Bergfiskus mit seinen Schächten Zweckel und Scholven, die an der Wasserscheide im Lippegebiet inzwischen entstanden waren. Die Wirkung auf den flach in das Gelände eingeschnittenen Bachlauf, der natürlich solchen Fremdwassermengen nicht gewachsen war, war erschreckend. Bei jedem starken Regen trat das mit Kohlenschlamm und Rückständen aus den Kokereien durchsetzte Wasser, dessen Oberfläche mit einer starken Teerschicht bedeckt war, über die Ufer und lagerte seine Schlammmassen in die durch Senkungen entstandenen Niederungen. Die früher im üppigsten Grün stehenden Weideflächen mit einer ausgedehnten Viehwirtschaft waren in überriechende Sümpfe verwandelt, aus denen kein Grashalm mehr wachsen konnte. Im Unterlauf kam der schädliche Einfluss der Emscher dazu, die bei jedem höheren Wasser kilometerweit zurück staute. Zwar hatte hier schon in den Jahren 1893/94 eine Interessengemeinschaft in Verbindung mit der Emscherkorrektion eine Begradigung und Vertiefung der Mündungsstrecke bis zum sogenannten Welheimer Grundbalken im landwirtschaftlichen Interesse vorgenommen. Der alte Lauf, die Aspelflötte, war vollständig verlassen und durch einen Durchstich in gerader Richtung ersetzt. Der Erfolg dieser Regulierung war im Lauf der Jahre zum größten Teil wieder verloren gegangen. Die Deiche reichten nicht aus und wurden bei jedem Hochwasser überflutet. Das Bachbett mit seiner breiten, stagnierenden Wasserfläche war vollständig verschlammt. Weiter oberhalb in der Nähe der Zeche Mathias Stinnes sah es noch schlimmer aus. Das Wasser staute durch die Seitenläufe in die Kanäle für die Hausentwässerung. Besonders der dicht bebaute Ortsteil Brauk hatte darunter zu leiden. Bei dem Hochwasser von 1912 stieg das Wasser in dem Häuserblock an der Roßheidestraße bis zur Sockenhöhe. Der Verkehr konnte nur durch Holzstege aufrechterhalten werden. Die Klagen der Bevölkerung und der Beteiligten mehrten sich derartig, dass sich die Emschergenossenschaft entschloss, sofort nach Senkung des Wasserspiegels in der Emscher im Dezember 1911 die Vertiefung der Boy durchzuführen. 4) Der hierfür im Mai 1912 aufgestellte Entwurf erstreckte sich auf den 8 km langen Bachlauf von der Mündung bis zum Einfluss des Brabecker Mühlenbaches in der Gemeinde Kirchhellen. Die neue Bachsohle wurde so tief gelegt, dass auch für die Regulierung der zahlreichen Seitenbäche genügend Vorflut geschaffen wurde. Zunächst wurde die Teilstrecke bis zur Einmündung des Nattbachs, des Vorfluters für Gladbeck, im Dezember 1912 begonnen. Gleich zu Anfang hatte man mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Bei der Vertiefung der Mündungsstrecke bis zur Bottroper Straße (zwischen Bottrop und Karnap) musste der Kohenschlamm, der sich über 2 m tief abgelagert hatte, ausgeräumt werden. Nur mit aller Energie gelang es, den Unternehmer zur Fortführung der Arbeiten zu bewegen und die Arbeiter auf der Baustelle zu halten. Im weiteren Verlauf wurde die Arbeiten durch den stark fließbaren Boden, der an manchen Stellen mit Moor durchsetzt war, sehr erschwert. Nur mit Hilfe von Spundwänden war es möglich, die Sohlenbefestigung einzubringen. Nach vielen Schwierigkeiten und Behinderungen durch Hochwasser wurde im Frühjahr 1914 das erste Ziel an der Nattbachmündung erreicht und damit dem unteren Gebiet geholfen.
Ebenso dringend aber war die Fortführung der Arbeiten für das mittlere Gebiet. (Nattbach- Bis Brabecker Mühlenbach-Mündung). Der Kriegsausbruch legte die kaum eingerichtete Baustelle still. Im September 1914 wurde versucht, die Arbeiten im beschränkten Umfang wieder aufzunehmen, aber es fehlte an Arbeitskräften, da alles zum Kriegsdienst eingezogen war. Schließlich blieb als letzte Rettung die Einstellung von Kriegsgefangenen, mit denen im Frühjahr 1915 die Arbeiten wieder aufgenommen wurden. Die nun folgende Bauperiode ist eine der unerquicklichsten, die die Bauleitung während der langjährigen Tätigkeit durchzumachen hatte. Die anfänglich befriedigende Leistung der kriegsgefangenen Russen ließ bald sehr nach; gegen ihre passive Resistenz war man machtlos. Schließlich versagte auch der Bauunternehmer; er ließ die Baustelle mit der ganzen Einrichtung gerade an dem gefährlichsten Punkt, wo die Eisenbahn Oberhausen-Hamm gekreuzt wurde, stehen und liegen, die Gefangenen wurde zurückgeschickt; die ganze Baustelle mit Gleisen, Lokomotiven, Pumpen, Arbeitsgerät und Baugruben versank im Wasser. Die provisorische Bachumleitung unter der Bahnüberführung, in der das Bachwasser in die fertige untere Strecke geleitet war, brach bei dem nächsten Hochwasser durch und richtete großen Schaden an. Der Bahnbetrieb auf der für Heerestransporte außerordentlich wichtigen Eisenbahnstrecke war gefährdet und zeitweise unterbrochen. Da man die Baustelle in diesem Zustand nicht liegen lassen konnte, wurde Ende Mai 1917 ein anderer leistungsfähiger Unternehmer mit der Weiterführung der Arbeiten beauftragt.
Kaum war der Baubetrieb wieder aufgenommen, als das große Hochwasser vom 31.7.1917 alle Berechungen über den Haufen warf. Im Boygebiet erreichte das Hochwasser seinen höchsten Abflusswert, 23 cbm/s, also fast die doppelte Menge des normalen Emscherwassers. Man kann sich keine Vorstellung davon machen, welche Katastrophe ohne die Regulierung der Boy eingetreten wäre. Abgesehen von der Störung der Bauarbeiten, die durch das Hochwasser um einige Wochen aufgehalten wurden, war an dem neuen Bachbett kein wesentlicher Schaden entstanden. Ein Deichbruch, der auf der Mündungsstrecke an einer schwachen Stelle des Deiches eintrat und das Poldergebiet der Welheimer Mark kurze Zeit überflutete, konnte schnell wieder befestigt werden.
Im Sommer 1918 war die neue Bachstrecke bis zur Gladbecker Straße in Bottrop (unweit der Wirtschaft Rebbelmund) fertiggestellt. Der etwa 30 Morgen große Senkungssumpf an den Rheinbabenschächten, der sog. Vienkenteich (nach dem Hof Vienken benannt), wurde trockengelegt und mit den Aushubmassen ausgefüllt. Die Möller- und Rheinbabenschächte konnten nunmehr ihre bisherige Ableitung in den Piekenbrockbach aufgeben und ihre Abwässer unmittelbar der Boy zuführen.
In den späteren Jahren hat die Boy in ihrem Unterlauf wiederholt vertieft werden müssen, da die Wasser kein richtiges Gefälle und die durch Bodensenkungen abgesunkenen Ufergebiete keine Vorflut mehr hatten. Von 1912 bis 1927 ist die Boy unterhalb der Welheimerstraße, d. h. im Unterlauf um durchschnittlich einen Meter vertieft worden. Seit einigen Wochen wird die Sohle der Boy oberhalb der Welheimerstraße, unweit der Mündung des Wittringer Mühlenbaches, auf etwa 100 m vertieft. Weitere Vertiefungen der Boy sind nicht vorgesehen. Ihr Wasserspiegel liegt, bei mittlerem Wasserstand gemessen, etwa 11 m höher als der Wasserspiegel des Rheins, so dass an der Boy die Anlage von Pumpwerken nicht nötig werden wird.
Die Boy bildet, wie schon erwähnt, die Grenze zwischen Gladbeck und Bottrop. Infolge der Regulierung und Begradigung hat der Bach sein früheres Bett an vielen Stellen verlassen, so dass bald ein Zipfel Land recht der Boy Gladbecker Gebiet, bald ein Zipfel links der Boy Bottroper Gebiet wurde. Die Verwaltungen beider Städte sind übereingekommen, die Änderungen zu beseitigen. Nachdem die notwendigen Auflassungen bei den Amtsgerichten in Bottrop und Gladbeck erledigt und die Katastereintragungen erfolgt waren, scheidet der neue Lauf der Boy die beiden Nachbargemeinden.
1). Der Brabecker Mühlenbach hat seinen Ursprung auf dem nördlichsten Teil des Platzes der Zeche Zweckel; er fließt zunächst westwärts an dem Hofe Surmann (heute Klein-Brabeck) vorbei, bildet beim Hause Brabeck die Gräfte und 2 Teiche, trieb einst die dortige Mühle, wandte sich in einem Bogen an Otte (heue Wirtschaft Riesener) vorbei südwestlich, dann südlich, bis er etwa 150 m nördlich von Hofe Borgwerth in die kleine Boy einmündet. Der Brabecker Mühlenbach bildet eine lange Strecke die Grenze zwischen Gladbeck und Kirchhellen.
In den Brabecker Mühlenbach ergießen sich mehrere Zuflüsse. Von links empfängt er den Quelingsbach. Nach Bürgermeister Tosses Bericht entspringt dieser bei Große Döveling (später Mertmann) in Rentfort, genauer gesagt, in der sog. Kattenkuhle (so benannt, weil man in sie die Katzen zu werfen Pfelgte) zwischen Niermann-Queling (heute Th. Löns) an der Schanzenstraße bei Ramecker. Sein Weg führt dann in westlicher Richtung südlich von Löns (Potsdamer Straße) und Niermann gt. Üchtmann (Hagenstraße), zwischen der Wirtschaft Queling und dem Hof Peuling weiter bis zur Vereinigung mit dem Brabecker Mühlenbach. Seit dem Bestehen der Eisenbahnstrecke Oberhausen-Rheine wird der Quelingsbach etwa 500 m weit durch einen Graben an der genannten Strecke entlang geleitet, um dann durch einen Durchlass der Bahnstrecke in den Brabecker Mühlenbach zu fließen.
Auf der rechten Seite nimmt der Brabecker Mühlenbach einen Zufluss auf, der ihm, von der Wiese beim Hofe Eggendorf in Kirchhellen-Overhagen kommend, in östlicher Richtung zueilt; ferner einen Bach, der bei der Wirtschaft Beckdahl anfängt und nahe bei Hollbeck-Fockenberg and er Straßenbahnhaltestelle im Schlagkamp vorbeifließt. 5)
2) Der Haarbach entsteht aus 2 Quellflüsschen: das eine entspringt auf einer Höhe bei der Zeche Scholven, das andere südwärts in der Spiekerheide nahe der Grenze von Buer-Bülse. (BÜrgermeister Tosse nennt den Haarbach Niewegsbach, dessen Ursprung bei Heidtfeldsbusch liegen soll. Nieweg ist ein Gelände östlich vom früheren Hofe Sch.-Rebbelmund). Die beiden Quellflüsschen vereinigten sich beim Hofe Ostrop-Mehring. Von da an trägt der Bach den Namen Haarbach, während der Oberlauf Mehringsbecke heißt. Der Haarbach floss südlich an Schulte Rebbelmundshof vorbei, trieb weiterhin Terbecks- später Bergermannsmühle, floss dann zwischen Nierfeld (später Holdschlag) und Schneider in südwestlicher Richtung weiter, wandte sich nach Westen, umfloss in einem großen, nach Süden geöffneten Bogen Breilmannskotten, lief südwestwärts weiter, Vöingshof (heute W. Borgwerth-Hornstraße) links liegen lassend, und ergoss sich 500 m oberhalb der Bottrop-Gladbecker-Straße (Wirtschaft Rebbelmund) in die Boy.
Als die Möllerschächte und die Zeche Zweckel entstanden, musste der Haarbach die Abwässer aus den Arbeiterkolonien aufnehmen. Bis zum Jahr 1913 war er von Zechenwässern frei, nur die Zeche Zweckel leitete ihre Grubenwässer hinein. Als aber die im Lippegebiet liegenden Gruben Bergmannsglück, Scholven und Westerholt ihre Abwässer nur unter großen Schwierigkeiten in das Lippegebiet abführen konnten und sich deshalb entschlossen, diese mit einer besonderen Leitung in das Emschergebiet hinüberzupumpen und dem Haarbach zuzuführen, da veränderte sich dessen Zustand in erschreckender Weise. Unterhalb der Möllerschächte, in der Nähe der Kampfstraße, bildete sich ein Senkungssumpf von etwa 1 ha Ausdehnung, der allmählich mit Kohlenschlamm vollständig angefüllt wurde. Die Abflusskanäle der Kolonie standen unter Rückstau des Haarbachwassern, und die früher umfangreiche landwirtschaftliche Ausnutzung im Unterlauf war gänzlich aufgehoben.
Wegen dieser Senkungsverhältnisse verlegte die Emschergenossenschaft den Lauf des Haarbachs bei dessen Regulierung (1918-1919) von den Möllerschächten an bis zur Mündung in die Boy auf 2 km Länge an der bergfiskalischen Eisenbahn entlang. Für das abgetrennte, 1,7 Quadratkilometer große östliche Niederschlagsgebiet blieb der alte Bachlauf als östlicher Vorfluter bestehen. Die versumpften Gebiete wurden trockengelegt, und das Gelände machte man wieder für landwirtschaftliche Zwecke urbar.
3) Der Wittringer Mühlenbach hat ebenfalls zwei Quellflüsse: der eine entspringt "in den Offerdörnen" oder bei der Offermannschen-Küsterschen Allee, nahe bei der Gecksheidestraße in Buer-Heege; der andere in der sog. Lehmstraße nahe bei Vennemann, vielleicht auch etwas weiter östlich auf Buerschem Grund südöstlich von Puls-Rosoer. Beide Quellflüsse vereinigten sich in der Pfütze im Schürenkamp, unweit des Hofes Brahm (Dieckmann). In seinem Oberlaufe trieb der Bach die Rentroper Mühle, die ganz zu Beginn in der heutigen Horsterstraße lag, floss dann an der Zeche Graf Moltke I/II vorbei und nahm an der Halde die Gladbecke auf. Diese entsprang hinter der Villa Küster, durchfloß das Dorf in Richtung der heutigen Bachstraße, über Kirchplatz, Kaiserstraße, Schenkendiek und entlang der jetzigen Roonstraße, wo sie mit dem Mühlenbach zusammentraf. Weiter ging's dann in südwestlicher Richtung an Haus Wittringen vorbei, um auch dessen Mühle zu treiben, dann südlich an Möhlmann-Böckler und Schulte Pelkum vorbei. Nach etwa 300 m bog der Mühlenbach nach Südosten aus und vereinigte sich in der Nähe von Brockämper (Zurhausen) mit dem Nattbach; nach weiteren 500 m war die Boy erreicht.
Der Wittringer Mühlenbach hatte nach der gewaltigen Vergrößerung und dichteten Besiedlung Gladbecks, insbesondere des früheren Ortskerns, dessen ungeklärte Abwässer aufzunehmen. Infolge starker Bodensenkungen bildeten sich zu beiden Seiten des Baches, vor allem in der Nähe des Hauses Wittringen, wo wertvoller Waldbestand gefährdet wurde, und im Grubenfeld der Zeche Graf Moltke III/IV von der Burg bis zur Welheimerstraße hin ausgedehnte Sümpfe, in denen sich der faulige Schlamm in großen Mengen absetzte. Trotz der schwierigen Lage im letzten Kriegsjahr wurde der Ausbau des Wittringer Mühlenbaches im August 1918 begonnen, nachdem die Militärbehörde die Arbeiten als kriegswichtig anerkannt hatte. Durch die politische Umwälzung im November 1918 wurden die Arbeiten jäh unterbrochen. Streiks und Arbeitsscheu verhinderten jeden Fortschritt, so dass man den Bau bereits stilllegen wollte. Nur dem Umstande, dass die Arbeiten als Notstandsarbeiten erklärt und durch Zuschüsse vom Reich unterstützt wurden, ist es zu verdanken, dass der Ausbau weitergeführt wurden. Der Wittringer Mühlenbach erhielt von Haus Wittringen ab ein ganz neues Bett und wurde - getrennt vom Nattbach - in einem besonderen Mündungslauf etwa 400 m westl. von der früheren Einmündungsstelle in die Boy geleitet. Im Jahre 1936 musste der Wittringer Mühlenbach vom Hause Wittringen ab verlegt werden, um seine Richtung der der neuen Verbandsstraße und der Reichsautobahn anzupassen. Gleichzeitig wurde der Bachlauf um 0,60 m vertieft.
4) Der Nattbach (Tosses Chronik nennt ihn Lindgensbach) entspringt auf Buerschem Grund, nahe der Gladbecker Grenze bei der Hobergstraße. Er floss in südwestlicher Richtung als Grenzbach zwischen Butendorf und Brauk an Buers-, später Kellerskotten, fernen an Allmann, Lindgen (heute Stens-Schulte Rebbelmund) Linderbusch (später Alef), Nattkämper, Große Natrop und Altenkamp vorbei und vereinigte sich bald daruf mit dem Wittringer Mühlenbach. Auch dem Nattbach gab die Emschergenossenschaft zum großen Teil ein neues Bett und führte ihn in einem gesonderten Mündungslauf der Boy zu, und zwar nahe der früheren Mündung des Wittringer Mühlenbachs. Gegenwärtig wird auch die Mündung des Nattbachs verlegt und vertieft.
5) Der Hahnenbach entspringt in der Bauerschaft Buer-Beckhausen im sog. Bergmanns Dahl; das ist eine Mulde zwischen dem Schaffrath und jenem Hügel, auf dem die Höfe schulte Berge und Fehrenberg liegen; und zwar ist die Quelle in einem Walde südlich des Hofes Buer in Beckhausen. Der Bach fließt zunächst nach Nordwesten, biegt an der Grenze Buer-Gladbeck nach Südwesten um, nimmt seinen Weg vorbei an den Höhen Dahlmann, Hahne (wonach er später bekannt ist), Kammann (später Klopries), bildet kurz vor der Mündung noch einen großen Winkel und ergießt sich gegenüber vom Hofe Siebeck (Bottrop-Welheim) in die Boy, etwa 470 m oberhalb der Horsterstraße, d. h. der Straße, die von Bottrop durch Welheim nach Horst führt.
Im Jahre 1925/28 hat die Emschergenossenschaft den Hahnenbach von der Mündung in die Boy bis nach Dahlmannshof in Brauck ausgebaut und reguliert. Auch die Sohle des Durchlasses in der Horsterstraße nahe der Marienkirche wurde vertieft und das Bauwerk unterfangen. Seitdem sind die Vorflutstörungen im Stadtgebiet Gladbeck-Brauck behoben.
1. Der Spechtsbach.
Seine Wiege steht im "Gebiet der 7 Quellen". Allbekannt ist das Forsthaus
Bischofssondern (jetzt Jugendherberge), an der Straße Dorsten-Sterkrade
nordwestlich von Bottrop gelegen, wo Kölnischer- und Fernewald sich berühren. In
einem Walde auf der jenseitigen Straßenseite sprudelt der Spechtsbach hervor,
fließt nach Nordosten, nimmt einen Genossen (den Ebersbach) aus dem Fernewald,
einen zweiten vom Rande des Sterkrader Moors, noch ein drittes und viertes
Wasserlein mit und biegt, so verstärkt und ermutigt, nach Osten um und empfängt
unweit des Forsthauses Specht den Schöttelbach. Dieser entspringt in dem
Waldgebiet südlich vom Forsthaus Mey in Grafenwald und schlägt eine östliche
Richtung ein; von links eilt ihm ein Bächlein entgegen, das in der Nähe der
Kirche Grafenwald seine Geburtsstätte hat. Etwa 100 m von der Straße
Sterkrade-Dorsten biegt der Schöttelbach nach Süden und mündet in den
Spechtsbach, der dann die genannte Straße unterquert, das von der
Stadtverwaltung Bottrop sorglich gepflegte Vöingholz nordwärts umfließt und
unmittelbar vor der Rheinischen Bahn, 100 m südlich der Hegestraße, in die Boy
sich ergießt.
2) Der Vorthbach entspringt auf einer Höhe unweit der Jacobischächte, nahe der Osterfelder Grenze, windet sich in nordöstlicher Richtung durch die Bauernschaften Fuhlenbrock und Eigen, fließt am Bahnhof-Nord vorbei, nimmt mehrere Nebenbäche auf - der größte kommt aus dem Bottroper Stadtpark - , trieb früher die Stenkhofsmühle und erreicht beim Bottroper Freibad die Boy.
3) Der Kirchschemmbach entspringt in der Nähe des heutigen Bottroper Stadtparks, fließt in nordöstlicher Richtung westlich an der Zeche Prosper III vorbei, durchquert die Rheinbabenkolonie, lässt die Rheinbabenschächte rechts liegen und erreicht bald die Boy.
Da der Kirchschemmbach die Abwässer aus der Kolonie Rheinbaben aufnehmen muss und außerdem die Schachtanlage Prosper III Schacht 5/6 mit ihrem Zechenabwässern angeschlossen ist, entstanden an der Einmündung in die Boy Vorflutstörungen, die schon 1920 die Staatliche Berginspektion Gladbeck veranlassten, in ihrem Grubenfeld auf eigene Kosten den Bach auf 500 m Länge zu vertiefen und zu befestigen. Anschließend daran wurde der Bach auf 2,5 km bis zur Gladbeckerstraße von der Emschergenossenschaft ausgebaut und das Mündungsstück als genossenschaftliche Anlage übernommen. Die Ausführung fiel gerade in die Zeit des passiven Widerstandes, in der die Zechen monatelang still lagen. Die feiernden Bergleute wurden zu den Arbeiten mit herangezogen und halfen nach besten Kräften an dem Werk, das im Herbst 1924 vollendet wurden. Im Anschluss daran hat die Stadt Bottrop noch einen Teil des Oberlaufes als Hauptsammler bis zur Kirchhellener Straße hergestellt.
1) Siehe "Gl. Blätter" 1934, S. 40-42.
2) Im Auszug abgedruckt im ersten Jahrbuch der Stadt Bottrop 1919/20, S. II/III.
3) Über die umfangsreiche und segensvolle Tätigkeit unterrichten ausführlich und anschaulich: a) die Festschrift "25 Jahre Emschergenossenschaft", 1925, herausgegeben von Baudirektor Dr. Ing. e. h. Helbing; b) "Emschergenossenschaft und Lippeverband in den Jahren 1925 bis 1930", ebenfalls von Helbing; c) die Jahresberichte der E.G. und viele Sonderschriften.
4) Vergl. zum Folgenden die Festschrift, S. 131-138.
5) Frdl. Mitteilung des Bauern I. Eggendorf.
aus: Gladbecker Blätter 1936, Seite 15 - 27
zur Startseite | letzte Änderung: 24.05.2009 | Impressum - Datenschutz |