Hier informieren wir regelmäßig über Margret Fockenberg, die über den
Deutschen Entwicklungs- Dienst in Tansania ärztlich tätig ist.
Diese Arbeit wird zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Am 28. September wurde Sie von vielen Freunden und Verwandten verabschiedet.
I
Margret wird uns mit Texten und Bildern aus Afrika (Tansania) versorgen.
Margret ist zurück aus Afrika. Bilder vom 2. Oktober 2010.
Sie wird jetzt ein Aufbaustudium in Heidelberg beginnen. mit der Bezeichnung: "Master of Science in international Health"
Brief vom 24. August 2010
Hallo Ihr Lieben,
Den Brief mit Bildern gibt es auch noch mal als Anhang.
Eure Margret
Zwei Monate sind seit dem letzten Brief schon vergangen und das so schnell, dass ich es gar nicht bemerkt hätte, wenn nicht ein paar von Euch gedacht hätten, dass ich sie bei den Rundbriefen vergessen hätte.
Heute in fünf Wochen werde ich aus Tandahimba wegfahren. Da verzeiht ihr mir hoffentlich ein bisschen Nostalgie.
Während ich in den ersten Briefen immer Mühe hatte, nicht nur über die Arbeit zu schreiben, ist es inzwischen so, dass die Arbeit so sehr Routine geworden ist, dass es mir schwer fällt, das Besondere daran noch zu sehen.
Da war es ein Erlebnis, meine Arbeit am Freitag durch die Augen und die Kamera von Charlotte zu sehen. Charlotte ist Fotografin und die Frau von Philipp, einem ded-Kollegen aus Mtwara. Am Freitagabend ist Philipp mit der 16 Monate alten Salome nachgekommen. Das war ein Bilderbuchwochenende. –wie gut, dass es mit dem Besuch noch funktioniert hat.
Am Mittwoch zuvor waren Corinna und Finn nach Dar es Salaam abgefahren. Sie haben mich aus Grafenwald besucht und Corinna hat eine Woche in der Schwangerenvorsorge und bei den Untersuchungen der unter Fünfjährigen mitgeholfen. Auf dem Hinweg waren sie vollbepackt mit Trikots für unsere Fußballmannschaft und Fertigsuppen und Puddings. Deshalb waren die Koffer für die Rückfahrt nicht ganz gefüllt. Es war ein komisches Gefühl, schon mal auszusortieren, welche Dinge sie schon mit nach Deutschland mitnehmen können.
An meinem letzten Arbeitstag wird es hier vom Krankenhaus eine große Abschiedsfeier geben. So ist es in der Hospital Management Team-Sitzung und in der Mitarbeiterversammlung besprochen worden. Ein seltsames aber auch gutes Gefühl.
Mein absolutes Highlight im Krankenhaus war die Operation eines sechs Stunden alten Mädchens mit einem Bauchdeckenbruch, durch den der Dünndarm heraus guckte. Der Anästhesist hat ganz schön geschwitzt mit dem Narkosemittel in einer Insulinspritze und dem Stethoskop in den Ohren, welches wir vorher auf den Brustkorb geklebt haben.
Als wir uns während der Operation ein bisschen entspannt haben, habe ich erzählt, dass ich nach der Operation zur Belohnung die ersten Dagaa (kleine Trockenfische) meines Lebens gekocht bekomme und „Angst“ habe, dass mir das tansanische Nationalessen nicht schmeckt.
Eine unbegründete Sorge. Offensichtlich gibt es sehr unterschiedliche Rezepte. Jetzt weiß ich wenigstens, warum im Wörterbuch „Dagaa“ mit „Anchovis“ übersetzt wird. Tamu sana (sehr lecker).
Beim letzten Mal hatte ich geschrieben, dass wir an die Grenze zu Mosambique fahren wollen, um die Daraja la Umoja- die Einheitsbrücke zu sehen. Der Ausflug war wunderschön, zwei Tage waren wir (Kadeli und ein Freund, Aidan und Familie) unterwegs und haben neben der Brücke auch noch die Hauptstadt von Nanyumbu, dem neuen Distrikt besucht, wo wir bei einer ehemaligen Krankenschwester aus Tandahimba Wild gegessen haben. Was genau wissen wir nicht, aber es war zum Glück kein Elefant. Wahrscheinlich Büffel meinen die Kenner Kadeli und Aidan.
Die Brücke ist wirklich sehr schön. Was sie so eindrucksvoll macht, ist wohl auch, dass sie noch mitten im „Nichts“ liegt. Zwei Kilometer vorher fängt die Asphaltstraße an- und hört auch nach zwei Kilometern auf der mosambikanischen Seite wieder auf. Wir haben auf der Brücke gepicknickt mit Brot, Softdrinks, und gekochten Eiern.
Noch fünf Wochen Tandahimba. Unvorstellbar. An diesem Wochenende haben Philipp, Charlotte und ich uns viel darüber unterhalten, wie viel wir hier gelernt haben und wie wichtig die Zeit in Tansania für uns ist. Und wie glücklich wir sind, dass wir sagen können, dass wir die Zeit nicht missen möchte.
Danke Euch allen, für Eure Briefe und Unterstützung. Ihr habt mir mehr geholfen, als Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt.
Bis bald in Deutschland,
Margret
Bilder vom 24. August 2010
Ein Brief vom 22. Juni 2010
Viele Grüße aus Tansania,
hier ist es im Moment winterlich kalt (22 Grad) und ich sitze hier mit Strickjacke und mache mir warme Gedanken.
Ostern nach Hause zu kommen und fast alle Verwandten und viele Freunde und Arbeitskollegen in den vier Wochen wiedersehen zu können, war wunderschön und es ist unglaublich, dass schon wieder sechs Wochen vergangen sind.
Ich war froh, dass der Besuch wirklich „nur“ Urlaub war, ohne dass ich mich schon zwischen meinen beiden „Zuhausen“ entscheiden musste.
Das ich Hin-und Hergerissen bin zwischen den Sorgen und Freuden hier in Tansania hat man mir, glaube ich, bei meinem Vortrag im Pfarrheim angemerkt. Luisa, meine Großcousine, und ich haben über Tansania, Land, Leute und Arbeit erzählt und die KFD hatte eine tansanische Suppe vorbereitet. So viel Unterstützung und Verständnis zu begegnen tat zwei Tage vor Abflug einfach nur gut.
Hier hatte mich der Arbeitsalltag schnell wieder. Manche Dinge ändern sich halt nicht. Immerhin, meine heimliche Sorge, dass mein langfristiges Ziel schon erreicht ist und ich mich bereits überflüssiggemacht habe, hat sich nicht bestätigt.
In der zweiten Woche nach meiner Ankunft hatte ich (wieder mal) Holländer da. Zwei Studenten, die schon sieben Wochen in Lindi waren. Nachdem sie anfangs im Guesthouse geschlafen haben und nur tagsüber bei mir waren, sind sie dann am WE komplett zu mir gezogen. Leider ging es für sie am Montag weiter nach Dar es Salaam und dann auf Safari. Heute hatte ich Besuch von Kollegen aus Lindi, die Tandahimba und unser Krankenhaus sehen wollten.
Manchmal tut es gut, wenn man das Krankenhaus wieder mit den Augen anderer Leute sehen kann, manche Schrecklichkeiten sind, besonders im Vergleich zu andern Krankenhäusern der Umgebung sogar schon ein Fortschritt, während man für andere Dinge schon so betriebsblind geworden ist, dass einem die Augen wieder geöffnet werden müssen.
Hier haben ich, und viele im Krankenhaus angefangen, meine Tage rückwärts zu zählen. Einige von Ihnen können es bestimmt kaum erwarten (und ich fürchte, es werden noch mehr;-).
Mein letzter Arbeitstag wird der 24.09.2010 sein. Danach gibt es noch mal ein Treffen der Fachgruppe Gesundheit vom ded und dann noch einen Tag in Dar es Salaam und dann bin ich am 04.10.2010 hoffentlich gesund und munter zurück in Deutschland.
Das Highlight der letzten Wochen war mit Sicherheit der Besuch von Marie-Alexandra und Gregor. Obwohl ich nur zwei Tage Urlaub hatte (Donnerstag und Freitag), kam es mir schon Donnerstagabend so vor als wäre ich schon seit Wochen aus Tandahimba weg. Quasseln, essen, schwimmen, schlafen…. . In Tandahimba waren wir für einen Tag und eine Nacht (den Sternenhimmel darf man einfach nicht verpassen) und am Montag sind wir zusammen nach Dar es Salaam geflogen. Abends waren wir dann noch im Nationalstadion für das Spiel Tansania gegen Brasilien.
Jetzt bin ich seit 10 Tagen wieder zurück in Tandahimba. Meinen letzten Arbeitstag habe ich groß angekündigt. Zum einen damit Zeit bleibt eine Abschiedsparty vorzubereiten;-). Aber eigentlich, weil ich es mit meiner Schwester und Mark Twain halte, von dem sie mir den Satz geschickt hat: „Gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig.“ Und wenn viel fertig werden soll ist es besser, die letzte Minute dauert drei Monate.
Der Schrecken (nicht bei allen, wie gesagt) war groß, aber wir haben auch schon einige Pläne für die nächsten Wochen gemacht, so werden jetzt zum Beispiel gezielt Mütter in der Unter-Fünf-Jahre-Klinik angesprochen, ob ihre Kinder einen Leistenbruch haben, damit möglichst viele noch mit meiner Assistenz in den nächsten Wochen operiert werden können, damit, wenn ein kindlicher Notfall mit eingeklemmtem Leistenbruch kommt, jeder meiner Kollegen hier weiß, was er machen kann. Wenn ich überlege, dass wir 2008 gar keine geplanten Operationen gemacht haben, und jetzt sogar Patienten gezielt ansprechen können, weil die Ergebnisse der andern so gut sind, ist das doch zumindest ein Teilerfolg.
Abends, wenn ich nicht vor lauter Dunkelheit schon um acht Uhr schlafe, versuche ich im Moment, für das Krankenhaus noch notwendige Sachen vorzubereiten (Stichwort: letzte Minute). Und außerdem geht es los mit den Berichten für meinen Nachfolger (der jetzt leider doch noch nicht feststeht) und für das Landesbüro vom ded.
An den Wochenenden, an denen ich keinen Dienst habe, werde ich noch möglichst viel mit meinenn Kollegen und Freunden unternehmen. So wollen Kadelis Familie und ich am nächsten Wochenende zur Umoja Brücke (Einheitsbrücke) über den Ruvuma nach Mosambique. An ihr ist jahrelang gebaut worden und sie ist im Mai eröffnet worden.
Heute ist ein sechs jähriger Junge aus dem Krankenhaus entlassen worden, der an einer Hirnhautentzündung gelitten hat, die wir mit unseren normalen Antibiotika nicht in den Griff bekommen haben. Dank der Grafenwälder konnten wir auf ein anderes Medikament umsteigen und wenn er auch noch nicht wieder läuft, weil er noch sehr schwach ist, so ißt er zumindest wieder selbstständig und spricht wieder und hat keine Krampfanfälle mehr.
Vielen Dank für Eure Briefe und für Eure Unterstützung.
Eure Margret
Bilder vom Informationsabend am 27. April 2010 im Pfarrsaal Heilige Familie Grafenwald
Am 02. März 2010 erreichten uns folgende Bilder aus Tansania.
Margret konnte ein paar Tage Urlaub machen.
„Umenenepa, umependeza!- Du hast zugenommen. Gut siehst du aus“
Nach zwei Urlaubswochen und mit den Erinnerungen an die Zeit davor, war mir am Montagmorgen eigentlich gar nicht nach Krankenhaus.
Aber nach so einer Begrüßung…
Ich bin vermisst worden und habe auch viele Leute vermisst. Ein Kollege, Dr. Nipwa hat die ganzen zwei Wochen Dienst gemacht, weil der Medical Officer in Charge krank oder beschäftigt war und ein anderer Kollege plötzlich zu einem Krankenversicherungsseminar nach Dodoma musste (auch zwei Wochen. Allerdings war davon am Freitag, als ich gegangen bin noch nicht die Rede- ich vergess immer wieder, wie flexibel die Tansanier sein können).
Mein Urlaub war sehr schön, wenn auch anders als geplant. Mein Besuch hat leider in Doha das Flugzeug verpasst und ist erst einen Tag später in Dar es Salaam angekommen. Dadurch wurde unser ohnehin schon ehrgeiziger Zeitplan gesprengt. Wir waren allerdings trotzdem im Ngorongorokrater, in dem auch ganz viele Gnubabies waren und wir haben sechs der 22 Nashörner gesehen.
Das Nachtquartier war zum Weinen schön. Mit Blick auf den Krater zu sitzen, zu essen, zu schlafen, aufzustehen (wo er allerdings noch nicht zu sehen war, zu der unchristlichen Uhrzeit) – ein Wunder. Samstagmorgen noch in Tandahimba und Montagmittag im Paradies.
Am Dienstagnachmittag dann zurück nach Dar, wegen des Versammlung der Fachgruppe Gesundheit vom ded. Das wollte ich auf keinen Fall verpassen, auch wenn sie es genau in meinen Urlaub gelegt haben. Und es hat sich auch wirklich gelohnt: Der Austausch mit den deutschen und tansanischen Kollegen, die Diskussionen über die verschiedenen Entwicklungsmaßnahmen, das Gefühl, nach vier solcher Treffen immer besser zu verstehen, worüber gesprochen wird. Und dann wieder der nicht zu unterschätzende „nach-Lourdes-fahr“-Faktor: Ich möchte mit niemandem meinen Arbeitsplatz tauschen. Im Vergleich zu den andern ist er wie für mich gemacht: Weit genug weg von Dar es Salaam, (mehr als) genug klinischer Anteil in der Arbeit, alles in allem die engagiertesten Kollegen und mit (mehr als;-) genug „Buschflair“ und Frustrationspotential um von den ded-Kollegen bedauert zu werden.
Nach dem Treffen ging es dann zu meinen Freunden nach Sansibar, in Ruhe reden, Geburtstag feiern und tief Luft holen und das alles in einem wunderschönen Resort, bevor ich wieder in den Süden „muss“. Es war wunderbar.
Der Regen hat die Straße von Mtwara nach Tandahimba an einer Stelle komplett zerstört, so dass Kadeli mich auf der doppelt so langen Strecke nach Hause gebracht hat. Selbst die war nicht so schön, als dass ich mich auf die Rückfahrt am nächsten Morgen gefreut hätte, aber dafür haben wir eine Hyäne gesehen und ich konnte abends noch Fakhadi, seinen Sohn angucken, der seit ein paar Tagen Fieber und Erbrechen hatte.
Morgens schnell wieder weg aus Tandahimba bevor jemand merkt, dass ich da bin. In Mtwara nur Sonne Sand und Meer. Glücklicherweise, denn vom Regen hatten sie in einer Woche so viel abbekommen, dass die Abwasser- und Normal?wasserstellen sich gemischt hatten. Deshalb gab es Cholerafälle und viele kleine Restaurants oder Gemüseläden wurden geschlossen.
Wenn man niemanden kennt, der Cholera hat, aber ein paar der kleinen Geschäftsleute, dann kann man sich gar nicht so leicht der Meinung der Leute (mit einem Master in Infektologie) anschliessen, die völlig begeistert vom konsequenten Vorgehen der Behörden in Mtwara sind. Aber natürlich haben sie recht und immerhin ist es gelungen, eine echte Epidemie zu verhindern. In dieser Woche gab es nur noch zwei neue Fälle und damit Entwarnung für alle.
Von Mtwara ging es dann zu dem Kollegen aus Lindi, Gunnar mit seiner Frau Heike und den Kindern. Schöne Tage mitten im Familienleben und endlich mal (von ein paar Abenden an der Theke bei der Vollversammlung abgesehen) Gelegenheit, in Ruhe mit Heike zu reden. Leider (für mich) gehen sie im Juni nach Deutschland zurück.
Sonntagmittag zurück nach Tandahimba. Abends waren schon Luice und Mlawa da. Zu Hause angekommen.
Trotzdem hielt sich meine Vorfreude auf Montag beängstigend in Grenzen. Wie um mir den Einstieg zu erleichtern gab es direkt drei Kaiserschnitte und auch nur mich und Hamisi als Ärzte. Schön, wenn man gebraucht wird. Und schön, wenn die Statistik für eine ruhige Nacht spricht. Die nächste Nacht war dafür umso unangenehmer. Kreisssaal. Kreisssaal. Und dann wieder Kreisssaal.
Weil so viele OPs verschoben werden mussten, hatten wir diese Woche jeden
Tag OP-Tag. Nicht besonders praktisch, wenn man gerade aus dem Urlaub kommt
und Liegengebliebenes erledigen muss. Aber super, wenn ich daran denke, dass
es in vier Wochen schon nach Hause geht. Und wenn ich sehe, wie die Kollegen
sich (gut, wenn man mal 2 Wochen weg war) um die OPs reißen. Heute hat
Hamisi gewonnen (wir waren wieder mal alleine im KH) und hat zum ersten Mal
einen Leistenbruch bei einem dreijährigen Jungen operiert. Im August seine
allererste OP und jetzt das… Nicht alles ist in Tandahimba schlechter als in
Deutschland.
Am Wochenende- ich konnte es gar nicht glauben- habe ich keinen Dienst und
kann nach Mtwara fahren, um Brit wieder zu sehen, die uns besuchen kommt.
Danke Euch allen für die mitfühlenden und aufbauenden Antworten, die ich auf meinen letzten Brief bekommen habe. Ihr kennt mich ja. Es ist nicht so, dass ich hier sitze und rum heule. Normalerweise werde ich ja eher wütend oder bin genervt. Aber manchmal ist es doch ein bisschen viel auf einmal. Und nachher geht’s einem ja auch besser, auch wenn sich an der Situation nichts ändert („gut, dass wir drüber gesprochen haben“).
Ich habe von Euch viele Fragen im Bezug auf finanzielle Unterstützung bekommen. Es ist nicht so, dass ich hier mittellos bin. Im Gegenteil, die Grafenwälder und Kirchhellner haben hier in Tandahimba schon eine Menge finanziert. Wie ich das Geld ausgebe, haben alle netterweise völlig mir überlassen. Vielleicht ist jetzt auch der Eine oder Andere darunter, der sich wünschen würde, dass ich Medikamente davon kaufe. Und bei dem Narkosemittel und Schmerzmitteln konnte ich auch nicht widerstehen.
Aber für 3300 Euro (6Mio TSh) Medikamente zu kaufen, die vielleicht zwei Monate reichen und im nächsten Jahr werden wieder Brillen gekauft…
…. so kann und will ich meine Aufgabe hier nicht sehen. Und, glaubt mir, für mich, die ich die Einzelfälle direkt hier vor mir habe, ist diese Entscheidung noch schwerer als für Euch.
Es gibt viele interessante (sich zum Teil erheblich widersprechende) Theorien zur Entwicklungshilfe, ein paar traue ich mich als Entwicklungshelfer gar nicht zu lesen (z.B. "Dead Aid" von Dambisa Moyo, aber immerhin habe ich schon mal das Buch gekauft).
Was mir zu Hause immer eingeleuchtet hat, war die Sache mit dem Fisch und der Angel.
Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn fischen, und er wird nie wieder hungern. (China)
Ich habe das Sprichwort immer auch als Forderung von der Nehmerseite gesehen, so wie es die Estländer sagen: „Wenn ich Hunger habe, gib mir keinen Fisch, sondern eine Angel.“
Aber weiterhin werden die Fische ebenso gerne genommen, wie gegeben.
Um bei dem Sprichwort zu bleiben: inzwischen sind „wir“ ansatzweise angefangen, Angeln zu verteilen. Der Angelunterricht wird dabei leider meistens vergessen.
Vom ded hat das KH in Tandahimba einen Chirurgen angefordert. Die Bedingungen (ded ist Personalentsendedienst und der Dedler hat kein eigenes Budget) sind bekannt und wurden akzeptiert. Irgendwie muss es mit den Geldern, die ein staatliches Krankenhaus in Tansania aus den verschiedensten Töpfen bekommt, möglich sein, die Gesundheitsversorgung hier zu gewährleisten.
Also, langer Rede kurzer Sinn: Danke für Eure Angebote, aber ich möchte Euer Geld so nicht einsetzen und das ist erheblich einfacher für mich, wenn ich es gar nicht habe. (Tief drin bin ich eben auch eher ein Fischlieferer und Fischesser als ein Angellehrer oder Angler).
Ich weiß nicht, ob ich noch mal schreibe, bevor ich Anfang April nach Deutschland komme. Ich würde mich freuen, viele von Euch zu sehen, auch wenn die Zeit bestimmt viel zu kurz sein wird.
Bis dahin wünsche ich Euch schon mal, ganz verfrüht, ein gesegnetes
Osterfest,
Margret
Einmaliger Blick auf den Ngorongorokrater |
Gnus im Nationalpark |
Geburtstagfeiern in Sansibar |
Am 08. Februar 2010 erreichten uns einige Bilder aus Afrika. Margret wird uns noch einen Text nachsenden.
Lieber Johannes,
Frohe Weihnachten aus Tansania. Dieses Jahr gibt es ein Foto aus der Kirche
von Nyanyamba, wo ich Weihnachten mit den deutschen und tansanischen
Erlöserschwestern gefeiert habe. Im Vordergrund steht Sister Margret, sie
ist schon seit über dreißig Jahren in Tansania.
Die andern Bilder sind Bilder mit "meinen" Medizinstudenten aus Holland und
Bilder vom zweiten Weihnachtstag in Mtwara mit Kadelis Familie ("mein"
Fahrer), Ausserdem Nia mit ihrem Baby und der Frau von Clinical Officer
Mlawa.
Ein Wöller Trikot folgt.... |
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Ein gesundes Kind zu Weihnachten |
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Fußballweltmeister 2009 : Tansania |
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folgende Weihnachtsgrüsse erreichten uns am 20. Dezember 2009:
Tandahimba, den 20.12.2009
Hallo Ihr Lieben!
Bei Euch zu Hause und hier bei mir sind in diesem Jahr so viele schöne und so
viele traurige Dinge passiert.
Danke, dass Ihr trotz eurer eigenen Sorgen und Arbeit zwischendurch an mich
gedacht habt. Danke für die vielen Briefe und Emails.
Danke für Euren Rat, wenn ich medizinische oder zwischenmenschliche Tips
brauchte.
Danke für die aufmunternden Worte, wenn ich schon mit einem Bein wieder ins
Flugzeug nach Hause wollte.
Danke für das viele Geld. Es ist eine große Erleichterung für meine Arbeit. Man
wird von Euch noch sprechen, wenn ich schon lange wieder zu Hause bin.
Danke für Eure Besuche und für die Besuche, die noch kommen werden.
Ich wünsche Euch für das nächste Jahr den schönsten Segen, den ich hier bisher
bekommen habe:
„Nakuombea kwa mungo akupe nusra kabla ya hatari akupe faraja kabla ya huzuni
akupe subra kabla ya kukata tamaa akupe kuweza kabla ya kushindwa akupe rafiki
wema kabla ya maadui kicheko kabla ya kilio akupe usingizi mwema akupunguzie
mawazo amin“
Ich bitte für dich bei Gott, dass er dir Hilfe gebe vor Gefahr. Er gebe dir
Freude vor Trauer, er gebe Dir Geduld vor Resignation, er gebe dir Erfolg vor
Niederlage, er gebe dir gute Freunde vor Feinden, Lachen vor Weinen. Er gebe dir
guten Schlaf und verkleinere deine Sorgen. Amen
Frohe Weihnachten und ein gesegnetes Neues Jahr
Eure Margret
Margret schickte uns am 7. November 2009 einige Bilder :
Am 21. September 2009 schrieb uns Margret folgenden Brief.
Tandahimba am 21.09.2009
Heute ist der zweite Feiertag zum Ende von
Ramadan. Vor einem Jahr (muslimischer Kalender) bin ich an diesem Tag von Dar es
Salaam nach Mtwara geflogen, um zum ersten Mal meinen Arbeitsplatz zu sehen.
Heute bin ich mit dem Auto von Dar es Salaam nach
Tandahimba gefahren und- da ich nur Beifahrer war -hatte ich genügend Zeit, über
das letzte Jahr nachzudenken.
Vielleicht wichtigste Erkenntnis heute: Es war
eine gute Entscheidung.
Gerade habe ich noch mal gelesen, was ihr
Grafenwälder jetzt schon alles über Tandahimba wisst. Ich glaube, trotz der
Fotos ist es trotzdem nicht einfach, sich vorzustellen, wie es hier ist. Und ich
bin froh, dass meine Familie mich besucht hat. Und dass ich in der letzten
Woche wieder Besuch aus Grafenwald hatte.
Das Jahr war nicht einfach, dafür war ich viel zu
gerne in Deutschland, in Grafenwald, in „meinem“ Krankenhaus in Wesel.
Inzwischen ist „mein“ Krankenhaus aber auch hier
und wenn ich in Dar es Salaam oder Mtwara bin, ist „zu Hause“ Tandahimba.
Zwischendurch hatte ich deshalb schon mal Sorge, dass ich mich zu sehr gewöhne,
an Gutes und an Schlechtes und wenn ich meine alten Briefe lese hat sich
tatsächlich schon manches relativiert. Aber hoffentlich eher deshalb, weil ich
die Gründe für manche Probleme jetzt realistischer sehen kann. Und weil ich mehr
Graustufen zwischen meiner Schwarz-Weiß-Seherei eingebaut habe. Es soll ja
helfen, wenn man sich sagt, dass niemand unlogisch handelt. Und diese Logik
dann zu finden und zu gucken, ob sich da was ändern lässt. ..
Ein Jahr Tansania:
Ich kenne meine Nachbarn mit Namen und vergesse leider immer wieder die Gesichter und Namen meiner „alten“ Patienten, die mich auf der Straße ansprechen.
Mein Kisuaheli und meine Brocken Kimakonde
reichen für den Hausgebrauch und für die Visite und begeistern die Taxifahrer
und Verkäufer in Dar es Salaam. Um allerdings bei Offiziellen Treffen etwas zur
Qualitätsverbesserung beizutragen muss ich weiterhin auf Englisch ausweichen.
Und um die Antworten der anderen zu verstehen, bleibt mir oft nur übrig, direkt
um Übersetzung zu bitten, oder im Nachhinein zu fragen, worum es ging. Wie
wenig ich hier meine Stimme normalerweise benutzen muss/ kann, ist mir erst
aufgefallen, als ich nach dem Besuch meiner Familie und jetzt auch wieder nach
der Woche mit meinen Freunden kaum noch Stimme hatte. Und ich dachte schon, ich
sei ruhiger geworden.
Wir machen inzwischen geplante Operationen, (im Moment allerdings wieder nicht, weil wir kein Nahtmaterial haben)
Die neue Ambulanz ist eröffnet und wenn sie auch nicht an den Generator angeschlossen ist, so ist das Arbeiten zumindest tagsüber um Klassen besser geworden.
Die Arbeit im Krankenhaus ist weiterhin das, wo ich die schönsten und schrecklichsten Dinge hier erlebe und oft in viel zu schnellem Wechsel.
Persönliche Freundschaften mit einigen Kollegen
machen die Arbeit bei den schönen Erlebnissen noch schöner und bei traurigen
Ereignissen erträglicher.
Ich hatte lieben Besuch und habe viel vom Land
gesehen.
Ich habe mein Auto nach einer Reifenpanne aufs
Dach gedreht, man hat mir aus meinem Haus Geld gestohlen.
Ich bin inzwischen auch mal hinten auf dem Pickup
mitgefahren und die andern Mitfahrer haben neidisch festgestellt, dass ich schon
von Natur aus die Farbe von Staub habe.
Ich war auf Taufe, Hochzeiten und Beerdigung.
Ich kann Ugali (das Nationalgericht) kochen und
mit den Fingern essen, sogar Tomatensalat.
Morgen geht die Arbeit wieder los, nächste Woche haben wir eine Fortbildung über Unfälle im Krankenhaus Nyangao und eigentlich sollte ich meinen Teil vorbereiten…
In Deutschland konnte ich mich nie mit
Strommangel herausreden.
Bis bald,
Margret
Im Juli 2009 hatte Margret Besuch aus Deutschland. Die Familie war zu Gast.
Margret
hatte ihre Familie zu Besuch Hier ein Bild vom Ausflug zum Ngorongorokrater |
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Ein stolzer Massai |
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Am 11. Juni 2009 erreichten uns folgende Bilder und eine E-Mail von Margret
Tandahimba am 12.06.2009
Vielleicht muss ich wirklich zwischendurch nach Dar es Salaam fahren, um zu wissen, dass ich inzwischen in Tandahimba schon etwas zu Hause bin.
Seit meiner Ankunft sind schon sechs Monate vergangen. Zwischendurch rennt die Zeit und dann wiederum vergehen manche Tage so, dass man denkt, es müsste von dem, was alles passiert ist, doch mehr als ein Tag gewesen sein. Das passiert mir vor allem dann, wenn ich, wie diese Woche öfter nachts im Krankenhaus bin. Der Juni ist scheinbar der Monat der Krokodile. Und weil der Weg zum Krankenhaus so lange dauert, treffen die Patienten dann erst in der Nacht im Krankenhaus ein. Die Verletzungen sind schwer, und die nachfolgenden Entzündungen erfordern wiederholte Operationen, bis man die Amputationswunden schließen kann. Beim ersten Mal habe ich noch aus Mtwara ein Amputationsbesteck holen müssen, inzwischen sind jedoch neue Instrumente eingetroffen, so dass wir unser eigenes Amputationssieb zusammenstellen konnten.
Wie ich Dar es Salaam auf der Vollversammlung des DED in Gesprächen mit meinen Kollegen gemerkt habe, werden wir Ärzte um unsere praktische Arbeit oft beneidet, hauptsächlich deshalb, weil sich die Frage nach dem Sinn der Arbeit gar nicht stellt, wenn ein vorher schwerkranker Patient gesund wieder nach Hause gehen kann. Dafür bleibt denjenigen, die nicht direkt mit Patienten arbeiten aber auch erspart, jeden Tag zu sehen, wie Patienten hier an behandelbaren Krankheiten sterben, weil es keine Medikamente gibt oder Krankheiten gar nicht erst mit unseren Untersuchungsmethoden erkannt werden können.
Am 16.5. haben wir den Florence-Nightingale-Tag begangen, erst ein Umzug durch Tandahimba, danach haben dir Schwestern ihren Eid erneuert und dann wurden auf den Stationen kleine Geschenke verteilt (siehe Bilder).
Abends gab es ein Fest für das ganze Krankenhaus, bei dem ich endlich mein Kleid aus geschenktem traditionellen Kitenge –Stoff einweihen konnte und zur Belustigung der Kollegen moderne tansanische Tänze gelernt habe.
Vor zwei Wochen waren Besucher aus Deutschland hier, die dem Krankenhaus das Ultraschallgerät gespendet hatten. Sie haben sich sehr gefreut zu sehen, wie sehr wir es im Gebrauch haben.
Nun hat es seit fünf Wochen nicht mehr geregnet und nicht nur mein Wassertank, sondern auch die Tanks am Krankenhaus sind zum Teil schon leer. Die nächste Regenzeit beginnt wahrscheinlich wieder nicht vor Dezember, so dass die Preise für den Eimer Wasser auf bis zu einem halben Euro steigen können. Für geplante Operationen müssen die Patienten in dieser Zeit das Wasser selber mitbringen.
Von den drei Generatoren in Masasi arbeitet zur Zeit nur einer, so dass wir ungefähr vier Stunden Strom am Tag haben. Neben den Kosten für Diesel, die dadurch auf das KH zukommen, muss unser Generator nach vier Stunden immer für zwei Stunden abgeschaltet werden, so dass wir nachts weiterhin oft absolute Dunkelheit im KH haben. Wie schon mal erwähnt, finde ich es nur, wenn am Ende alles gut gegangen ist, aufregend, mit Taschenlampe im Mund bei Zwillingsgeburt oder Saugglockenentbindung verantwortlich zu sein.
Bei der nächsten Neujahrsfeier werde ich es nicht mehr eintönig finden, dass in den Reden nur über Wasser, Strom und Cashewnüsse geredet wird. Von diesen Dingen hängt in Tandahimba einfach zu viel ab. Keine Cashewnüsse, kein Geld. Kein Wasser, keine Cashewnüsse. Kein Geld, kein Mittel gegen Pilze, keine Cashewnüsse. Kein Geld, kein Krankenhausaufenthalt. Kein Strom und kein Wasser, keine geplanten OPs, schlechte Hygienische Verhältnisse, kein Sauerstoff oder keine Absaugung. Und ab halb sieben abends herrscht absolute Dunkelheit.
Zu den andern Bildern: Mit Carina war ich zusammen im Tropenkurs in Heidelberg und zur Zeit sind sie und ihr Mann im Sprachkurs in der Nähe von Dar es Salaam, so dass sie mich Ostern besucht haben und ich jetzt Pfingsten mit ihnen in Dar es Salaam war.
Auf Salmas und Jackys Taufe war ich am weißen Sonntag eingeladen. Seither kommen sie mich öfter mal besuchen. Heute wollte mich Salma besuchen, um mir ihr Zeugnis zu zeigen. Das kommt mir von früher noch sehr bekannt vor. Allerdings ist Platz zwei in einer Klasse mit 100 Schülern ja wirklich vorzeigenswert.
Bis bald mal wieder aus Tansania,
Margret
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Erklärung zu den Bildern :
Bild 1: Umzug durch Tandahimba mit Schülerband und Videokamera
Bild 2: Licht der Nächstenliebe
Bild 3: Der Districtmedicalofficer, die Distriktnursingofficer und der Gast vom
der Distriktverwaltung verteilen Geschenke auf der Kinderstation
Bild 4: Coktail im Old Kilimanjaro Kempinski Hotel
Bild 5: Zamda wäscht sich steril (wir machen Fotos für Carinas Kisuahelikurs
Projekt)
Bild 6: So schön kann Dar sein: abends vom Dach des Kilimanjaro Hotels
Bild 7: Das Gelände vom White Sands wo wir unsere Vollversammlung gemacht haben
Bild 8: Salma und Jacky, die mich heute besucht haben
Am 24. März 2009 gingen folgende Bilder und eine E-Mail aus Tansania ein :
Tandahimba am 24.03.2009
Nachdem ich heute genau seit vier Monaten in Tandahimba bin, freue ich mich, dass ich Zeit habe, um wieder mal zu schreiben.
Von gestern auf heute hatte ich meine ersten Übernachtungsgäste, Bastiaan und seine Familie aus Mnero und Ruangwa, wo ich im Oktober eine Woche zur Vorbereitung auf meine Arbeit war, waren da. Malene Amina, die Tochter, ist inzwischen acht Monate alt und war auch hier der Schwarm der tansanischen Mütter und Kinder.
Bastiaan ist zusammen mit dem DED-Koordinator gekommen, um uns und dem District Medical Officer und dem Krankenhauschef bei der Erstellung meines „Strategischen Plans“ zu helfen. Basierend auf der Stellenbeschreibung, die vor zwei Jahren von den tansanischen Kollegen und dem DED entworfen worden ist und dem „Memorandum of Understanding“, in dem sich der DED und die tansanische Partnerorganisation verpflichten, ihre gegenseitigen Zusagen einzuhalten, wird immer nachdem der Entwicklungshelfer ca. drei Monate auf seiner Stelle ist, für die Laufzeit des gesamten Vertrages (in Fall Tandahimba vier Jahre) ein strategischer Plan über die Ziele der Zusammenarbeit und den Weg dahin entworfen. Manche Gegebenheiten haben sich ja schon in den zwei Jahren seit der Stellenbeschreibung geändert und auch die persönlichen Fähig- und Unfähigkeiten des Entwicklungshelfers können in diesem verbindlichen Vertrag dann berücksichtigt werden.
Es war ein gutes Gefühl, am Abend nach interessanten Diskussionen und Ideen endlich einen handfesten Plan in der Hand zu haben, auf den sowohl ich als auch meine Chefs und Kollegen sich berufen können.
Ziel Nummer eins ist weiterhin ein funktionierender OP, aber die Diskussionen darüber, wodurch man das erreichen kann, waren das spannend. Hoffentlich können wir viele der geplanten Verbesserungen durchführen.
Außerdem bin ich jetzt offiziell Mitglied im Management Team des Krankenhauses und im Distrikt Gesundheitsmanagement-Team, wodurch ich hoffentlich mehr Überblick über den Distrikt und die Zusammenhänge im Krankenhaus bekomme.
Dann durfte ich mir noch aussuchen, in welchem Bereich des Krankenhauses ich noch verstärkt arbeiten möchte. Bastiaan wird Gynäkologe und die hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist ja auch in Tandahimba eines der drängenden Probleme. Er kümmert sich in Ruangwa um die geburtshilfliche Abteilung. Ich habe zwar in den letzten Monaten hier viel geburtshilflich gearbeitet, aber das ist eigentlich ein Gebiet, auf dem ich nicht so erfahren bin und für das sich hier im Krankenhaus die anderen Ärzte auch sehr interessieren.
Ich habe die Ambulanz gewählt, denn dort wird von Clinical Officern entschieden, wer aufgenommen wird oder wer ambulant behandelt wird und welche Therapie die Patienten in den ersten Stunden bis Tagen des Krankenhausaufenthaltes bekommen.
In dem Zusammenhang habe ich auch endlich mit dem Unterricht für die Clinical Officer (CO) begonnen habe. Die erste Stunde ganz allgemein zu Knochenbrüchen und ausgekugelten Gelenken (was man fragt, wie man untersucht, was man alles machen muss, bevor man einfach einen Gips anlegt…). Als nächstes Thema hatten sie sich gewünscht: wann sind Bauchschmerzen ein Notfall (akutes Abdomen) und danach das Thema Leistenbrüche und Differentialdiagnosen (mit was man Leistenbrüche so alles verwechseln kann).
Abends bin ich jetzt dadurch immer ziemlich beschäftigt. Übersetzen aus deutschen Büchern und ändern für die Gegebenheiten hier.
Am Freitag vorher gab es kein Reagenz mehr zur Hb-Bestimmung und wir hätten welches aus Newala bekommen können. Weil kein anderes Auto (aus den unglaublichten Gründen) zur Verfügung stand, sind der Laborchef und ich mit meinem Dienstwagen gefahren. Gerade als wir los wollten, kam noch ein eingeklemmter Leistenbruch mit Schmerzen seit vier Stunden. Obwohl der junge Mann lieber eine Operation gehabt hätte, war ich sehr froh, dass sich der Bruch mit Narkosemittel und Valium wieder zurückbefördern ließ. Ich habe allerdings immer ein bisschen Angst, dass ich das mit den Uhrzeiten nicht richtig mitbekomme, weil die Uhr in Kisuaheli ja um sechs Stunden verschoben gelesen wird. Auf Kisuaheli sagt der Patient dann z.B. Schmerzen seit „saa nne“ (vier Uhr) und die Übersetzung, die ich mir dann machen muss, oder die der CO macht ist „10pm“. Wenn die Patienten, wie dieser, richtig Schmerzen haben, werden sie schon ziemlich knatschig, weil ich –zig mal nachfrage.
Die Fahrt nach Newala war sehr schön. Ich war zum ersten Mal dort im KH. Ich habe endlich mal den Röntgenassistenten gesehen, der uns so furchtbare Bilder liefert (obwohl er in Ndanda gelernt hat).
Auf dem Rückweg haben wir auf dem Pickup insgesamt (innen und außen) 15 Leute mitgenommen. Die meisten waren Blinde aus den Umliegenden Dörfern mit ihren Begleitungen. Freitags ist nämlich in ganz Tansania der Tag, an dem Geschäfte und Marktstände kostenlos z.B. Lebensmittel an Menschen mit Behinderungen abgeben.
Der vierte Aufgabenbereich, der Bereich der HIV/AIDS-Kranken, hat in der Stellenbeschreibung einen sehr großen Raum eingenommen. Außerdem ist der Umgang mit HIV/AIDS ein Querschnittthema des DED. In diesem Bereich arbeiten aber schon so viele andere Entwicklungshilfeorganisationen mit sehr viel Personal und Geld, so dass ich mich auf meiner Stelle darauf beschränken werde, die laufenden Aktivitäten zu unterstützen und im OP, der Ambulanz und bei meinen Kollegen das Thema immer wieder anzusprechen.
Letzte Woche Montag hat im Krankenhaus eine Putzwoche angefangen. Der DMO hat am Mittwoch vorher verkündet, dass ab Montag die Kernarbeitszeit für alle, die nicht nachts arbeiten, von halb acht morgens bis sechs Uhr abends verlängert wird, und dass alle Stationen und Büros von Grund auf gereinigt werden. Ok, nach drei Tagen haben wir aufgehört, aber immerhin, und alle haben mitgemacht, von der Putzfrau bis zum Clinical Officer. Da habe ich dann auch angefangen in meinem geerbten DMO-Office zu putzen.
Weil wir letzte Woche nur mit zwei Ärzten im Krankenhaus waren, hatte ich jeden Tag Dienst. Für unsere Verhältnisse (zumindest im Vergleich zum letzten Jahr) haben wir deutlich mehr Kaiserschnitte und Operationen, natürlich auch nachts.
Ich frage mich, was wird, wenn wir unser Ziel erreichen, und tatsächlich ganz Tandahimba mit Kaiserschnitten „versorgen“.
Das wären bei 8000 Geburten in Tandahimba im Jahr dann ca. 400 Kaiserschnitte (5% der Geburten) bei relativ strenger Indikationsstellung.
Allerdings war ich gestern Abend mit Bastiaan und Familie am Ruvuma, dem Grenzfluss zu Mosambique, der ist von Tandahimba nur 15km entfernt. Für die Menschen in den Dörfern dort ist Tandahimba, und damit das Krankenhaus allerdings unerreichbar. Straßen, die man mit Allrad kaum fahren kann, ärmlichste Verhältnisse. Wir waren in kürzester Zeit von bestimmt fünfzig Dorfbewohnern umringt, Erwachsenen wie Kinder. Vielleicht waren wir die ersten Besucher in diesem Jahr.
Insgesamt gibt es im Distrikt Tandahimba 29 Gesundheitsposten und drei Gesundheitscenter, damit soll wenigstens eine Grundgesundheitsversorgung der Dorfbewohner, wie zum Beispiel in der Gegend vom Ruvuma, gewährleistet werden und z.B. schwangere Frauen schon bei den Vorsorgeuntersuchungen auf Risikofaktoren untersucht werden, dann wenn die Geburt einmal angefangen hat, ist der Weg zum Krankenhaus viel zu lang. Leider ist die Ausbildung gerade dieser Gesundheitshelfer, die ja völlig allein entscheiden müssen, absolut unzureichend. Wir haben in den „Strategischen Plan“ die regelmäßigen Besuche der Zentren und Fortbildung der Gesundheitshelfer mit aufgenommen.
Nachdem es heute den ganzen Nachmittag geregnet hat, ist es hier im Moment kalt genug für eine Jacke. Unglaublich. Leider hat der Regen auch den Stromplan durcheinander geworfen. Heute ist es mir zum ersten Mal passiert, dass ich über das Handy nicht erreichbar war, weil der Akku leer war. Aber dafür wohne ich ja nah genug am Krankenhaus. Außerdem habe ich heute eigentlich keinen Dienst.
Viele Grüße aus Tandahimba von
Margret
Brot in der Pfanne |
Saubermachen auf der Station |
Alle Patienten müssen raus |
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Endlich ein Moskitonetz |
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Am 25. Februar 2009 erreichte uns folgenden E-Mail uns aus Afrika :
Lieber Johannes!
Mit deinen Bildunterschriften gefallen mir meine Bilder noch mal so gut. Ich
hoffe, ihr habt Karneval gut überstanden. Die Feste scheinen ja jedenfalls super
gewesen zu sein. Ich freue mich schon auf in zwei Jahren.
Wie geht es euch (abgesehen vom Kater)? Viele Grüße an die ganze Familie,
Margret
Tansania am 25.02.2009
Viele Grüße aus dem verregneten Tandahimba. Heute hatten wir die tiefste Temperatur im OP seitdem ich da bin: 27°C. Nachdem die kleine Regenzeit so gut wie ausgefallen ist, sind nun in der großen Regenzeit die Wassertanks endlich wieder gefüllt und der Mais (für das Nationalgericht Ugali) wächst jeden Tag zusehends. Jeder meiner Nachbarn hat um sein Haus herum kleine Felder auf denen vor zwei Monaten Mais gesät worden ist.
Ausserdem halten viele Hühner, die überall frei herumlaufen und ein paar meiner Nachbarn haben Ziegen, deren komische Geräusche (wirklich kein „Mäh“) mich in der ersten Zeit nachts geweckt und erschreckt haben. Eine der Ziegen hat gestern die Frau vom District Medical Officer stückweise verkauft. Das ist dann so, dass ich gefragt werde, was ich denn so esse, und ob ich selber koche und dann erfahre ich, wann und wo es Huhn oder Ziege gibt. Manchmal auch Schweinefleisch. Aber dadurch, dass der Strom regulär mehrere Stunden am Tag nicht da ist und außerdem noch unerwartet, wenn z.B. wegen Regen das Umspannungswerk in Masasi Probleme hat, habe ich bisher noch kein Fleisch gekauft.
Dass der Kühlschrank nicht arbeitet ist allerdings das geringste Problem an den Stromausfällen. Auch wenn inzwischen (nach über einem Monat Wartezeit) der Krankenhaus-Generator wieder funktioniert, ist er zu schwach, um gleichzeitig den Sterilisator und das Labor zu versorgen. Ganz zu schweigen von Ultraschall oder Sauerstoffgerät. Und für durchgehenden Betrieb reicht auch der Diesel nicht aus (nicht, weil es in Tandahimba keinen gibt, sondern weil er zu teuer ist).
Wenn die Schwestern im Krankenhaus über mein Kisuaheli urteilen, benutzen sie den gleichen Satz ,wie wenn ein Patient sich langsam erholt. „sie macht Fortschritte“. Obwohl Kisuaheli für alle Tansanier auch eine Fremdsprache ist (die erste ist eine von 120 Stammessprachen), so haben sie es trotzdem als Kind außerhalb der Schule gelernt. Deshalb haben sie wenig Verständnis dafür, wie es jemandem geht, der als Erwachsener eine neue Sprache lernen muss. Auf meine mühsam gelernten Fragen antworten sie zum Beispiel nicht mit Ja/Nein, auch wenn die Möglichkeit bestünde, sondern in ganzen Sätzen. Die werden dann auf erneute Nachfrage auch gerne mal wortwörtlich wiederholt, möglichst noch schneller als vorher. Eigentlich merke ich nur dann, wenn andere Deutsche (leider sehr selten) vorbeikommen, dass ich inzwischen doch schon vieles verstehe. Oder beim Treffen des DED in Dar es Salaam, wo ich mit dem Polizisten reden konnte, als ein Kollege falsch herum in eine Einbahnstraße gefahren ist. Hier in Tandahimba fallen mir immer nur die Sachen auf, die ich nicht verstanden habe.
Mein Haus ist inzwischen gestrichen und es gibt ein paar Möbel, so dass ich mich hier in meinen vier Wänden zu Hause fühlen kann. Allerdings ist es weiterhin ungewohnt, dass jeder, der an meinem Haus vorbei geht, stehen bleibt und zum Fenster rein guckt, ob ich koche, oder lese oder was der Mzungu oder der Doktor sonst so macht. Erwachsene und Kinder. Meine japanische Kollegin, mit der ich mich inzwischen schon ein paar Mal getroffen habe, sagt, dass sich das auch jetzt, nach einem Jahr noch nicht geändert hat. Seit ich das weiß, habe ich die Hoffnung aufgegeben, uninteressant zu werden, wenn ich mich, z.B. sobald es dunkel wird, nur noch in einem Raum mit Vorhängen aufhalte. Also versuche ich jetzt, mich an die Zuschauer zu gewöhnen. Dafür, dass ich damit erst am Freitag angefangen bin, bin ich ganz zufrieden. Vielleicht war es auch ein guter Trick, den Kindern einen Fußball für die Wiese vor meinem Haus mitzubringen, jetzt haben sie besseres zu tun als hinterm Haus am Fenster zu stehen. Und damit ich neugierige nicht immer auf die Gespräche draußen lausche, habe ich angefangen, wie meine Nachbarn auch, zwischendurch Musik anzumachen.
Während des letzten Monats war ich zweimal in Dar es Salaam und hatte deshalb schon ein schlechtes Gewissen. (Thema unter anderem bei den Treffen war immer auch das häufige Fehlen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz wegen der Trainings und Workshops, die von allen möglichen Organisationen und vom Ministerium angeboten werden) Jetzt werde ich allerdings bis Juni hier in Tandahimba bleiben, wenn das Wetter es zulässt werde ich an den dienstfreien Wochenenden die umliegenden Missionskrankenhäuser endlich besuchen können, telefonischen Kontakt gibt es schon wegen einiger Verlegungen und Schwester Margret aus Nyanyamba saß zufällig im selben Flugzeug von Dar es Salaam nach Mtwara.
Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, immer erreichbar zu sein. Und obwohl nächtliche Einsätze insgesamt eher selten sind, schlafe ich doch anders, weil ich das Telefon nicht überhören möchte. Was mich dann erwartet, ist immer unterschiedlich: Oft allerdings sind es eingeklemmte Leistenbrüche, Eileiterschwangerschaften oder Kaiserschnitte. Mal ohne Strom im Halbdunkel, mal ist kein Fahrer da, und ich muss erst selber denjenigen abholen, der die Narkose machen soll und die OP-Schwester, mal ist keine OP-Kleidung trocken oder es gibt kein Narkosemittel oder keinen Alkohol zum Desinfizieren. Solange alles gut geht, ist nach der OP vieles wieder vergessen, aber leider sorgen solche Probleme dafür, dass längst nicht alles so gut ausgeht, wie es ausgehen könnte.
Meine Vorstellungen davon, was hier in den nächsten zwei Jahren erreichbar ist, ändern sich von Tag zu Tag. Nach einer guten OP mit interessiertem Assistenten oder nach einer offenen Morgenbesprechung mit vielen guten Vorschlägen bin ich optimistischer, auf der anderen Seite sind zwei Jahre auch nur eine kurze Zeit. Selbst nach deutschen Maßstäben. Deshalb bin ich froh, dass der DED nach einem Nachfolger für mich sucht, für weitere zwei Jahre.
Bis bald,
Margret Fockenberg
Am 29. Januar 2009 bekamen wir einige Bilder aus Tansania
Am 28. Dezember 2008 erreichten uns einige Bilder:
Unterwegs gibt es immer wieder Pannen |
Blick auf den Strand |
Das Weihnachtsessen.... Hornvogel oder Marabu? |
|
Margret und Ihre Patienten |
Ein Kind taucht im Meer |
Am 15. Dezember 2008 erreichte uns folgende E-Mail
Margrets Haus rechts im Vordergrund |
Ein Kokosnußpflücker aus Ihrem Fenster gesehen. |
Der Wartebereich im ältesten Teil des Krankenhauses |
Der OP Saal im neuen Krankenhaus- bereich |
Tandahimba am 13.12.2008
Nach einer Fahrt von 11 Stunden mit meinem neuen alten Dienstauto auf der ich
das Fahren im Linksverkehr und auf Buckelpisten gelernt habe (zumindest solange
die Straße trocken ist), habe ich vor drei Wochen zunächst in Mtwara, unserer
Regionshauptstadt halt gemacht, um mich mit so Dingen wie einem Kühlschrank,
Gummistiefeln, einer Sitztoilette etc. zu versorgen. Ausserdem habe ich den Teil
meiner Kollegen wiedergetroffen, der in Mtwara arbeitet. Auch mein neuer
Koordinator war da. Fritz ist schon seit Jahrzehnten in Afrika, spricht fließend
Kisuaheli und ist eigentlich Pharmacist. Wir haben uns zum Glück auf Anhieb gut
verstanden und auch jetzt ruft er noch einmal in der Woche an um zu fragen wie
ich mich einlebe und ob es Probleme gibt, die er für mich lösen kann.
Ausserdem habe ich noch Sr. Amabilis, eine deutsche Benediktinerin kennen
gelernt, die in Mtwara eine kleine Gesundheitsstation leitet. Die Benediktiner
haben in Mtwara auch ein kleines Gästehaus, wo ich hoffentlich Weihnachten
verbringen kann.
Als ich dann am Freitag, den 21.11.2008 endlich in Tandahimba war, wurde ich zum
Glück schon von meinem zukünftigen Chef, Dr. Mputeni, und dem District Medical
Officer erwartet. Während der eine mit mir Mittagessen gegangen ist, hat der
andere ein Bett für mich organisiert, damit ich direkt von Anfang an in meinem
Haus übernachten konnte.
Die Sitztoilette ist übrigens auch jetzt noch nicht eingebaut. Manche Sachen
relativieren sich hier sehr. Vieles, was ich vorher für absolut notwendig
gehalten habe, fehlt mir gar nicht. Und für andere Dinge wiederum würde ich viel
geben um sie hier zu haben. Neben so ein paar Sachen wie Plätzchen und Brot sind
das allerdings eher Sachen fürs Krankenhaus oder Familie und Freunde und das ist
eben nicht so einfach zu organisieren.
In der ersten Woche habe ich gedacht, ich werde nie verstehen, worüber hier
gesprochen wird, weil selbst die Morgenbesprechung, die eigentlich in Englisch
gehalten werden soll auf Kisuaheli stattfindet und viele der Patienten sogar nur
Kimakonde, die Sprache ihres Stammes sprechen (was mir allerdings nicht direkt
aufgefallen ist, ich habe nur gedacht, ich verstehe deren Kisuaheli nicht).
Jetzt nach drei Wochen und vielen Höhen und Tiefen bin ich etwas optimistischer.
Und vielleicht spricht auch mein“ Lieblingskollege“ bald mal Englisch mit mir,
nachdem ich ihm gestern gesagt habe, aufgrund der Sprachschwierigkeiten könne
ich erst nach drei Monaten Dienste machen. Er spricht nämlich normalerweise sehr
schnelles Kisuaheli, obwohl er an der Universität von Dar es Salaam studiert
hat, wo das Studium komplett in Englisch abläuft.
Die täglichen Gespräche mit den Schwestern und Clinical Officern oder das
einkaufen auf dem Markt sind da schon erfolgreicher. Die Kinder rufen auch nicht
mehr nur Mzungu (Herumtreiber/Weißer) sondern Doktor oder Dada (Schwester)
Margret. Und inzwischen zahle ich auch keine Mzungupreise mehr, sondern kriege
Einheimischenrabatt.
Die Arbeit im Krankenhaus ist hart. Ich habe in der Vorbereitung mal den Satz
gehört, Geld sei nicht das Problem. Und für viele Sachen hier gilt das sicher
auch (vorausschauende Planung, Wartung von Geräten oder Haushaltung mit Wasser
und Strom) aber den Patienten fehlt es an allem. Wenn jemand krank ist müssen
sie den Krankenhausaufenthalt, die Medikamente, die Operationen, das
Verbandmaterial … bezahlen. Ausserdem müssen sie ja essen und der Patient auch,
was zu Hause günstiger ist, als wenn man vor dem Krankenhaus campiert und alles
organisieren muss.
Für Kinder unter fünf Jahren, Patienten die an HIV/AIDS, Tuberkulose oder Krebs
leiden sowie Schwangere und Patienten über 60 Jahre, wenn sie nachgewiesen arm
sind, sind Krankenhaus und Medikamente frei, sofern die Medikamente in der
Krankenhausapotheke vorhanden sind. Das ist leider in den drei Wochen hier
selten der Fall gewesen. Grund dafür ist scheinbar, dass der staatliche
Medikamentenlieferer immer nur 60 Prozent der angeforderten Waren liefert. Auf
der anderen Seite verkauft er aber die Medikamente auch teurer ans Krankenhaus
als das KH sie weiterverkaufen darf, so dass ich fürchte, der Wille, alles
vorrätig zu haben, ist nicht so stark ist, wie er sein könnte. Ich würde ja
einfach immer mehr bestellen als ich bräuchte, wenn sowieso weniger geliefert
wird.
Meine mitgebrachten Medikamente sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein und
verschieben das Problem nur etwas nach hinten. Hier haben viele Patienten
absolut unnötige Schmerzen und wegen Problemen bei der Essensbeschaffung gehen
viele Patienten auch zu früh nach Hause.
Für mich gibt es hier viele chirurgische Fälle, die ich in Deutschland nicht so
gesehen habe: eingeklemmte Leistenbrüche seit einer Woche, wo dann der Darm
teilentfernt werden muss, Messerstichverletzungen und in den ersten zwei Wochen
habe ich viele Frauen nachoperiert, die einen Kaiserschnitt hatten und danach
Komplikationen. Die einzige Überwachung des Patienten geschieht durch
wiederholtes Blutdruckmessen. So etwas wie Beatmung während der Operation gibt
es nicht.
Bisher konnte ich mich erfolgreich weigern, dem Ehrgeiz meiner Kollegen zu
entsprechen, hier jetzt ein chirurgisches Zentrum für geplante Operationen
aufzumachen. Dafür gibt es noch viel zu viele Probleme bei den
Notfalloperationen, ist die Hygiene im OP und die Nachbetreuung auf den
Stationen noch nicht ausreichend. Außerdem habe ich noch die mahnenden Worte
einer Kollegin aus der Vorbereitung im Ohr, die erzählt hat, dass es nicht
selten vorkommt, dass die ganze Familie Geld zusammenlegt und z.B. Ziege oder
Kuh verkauft, damit das Familienoberhaupt dann an einem Leistenbruch operiert
werden kann, den er schon seit 30 Jahren hat und der selbst in Deutschland wegen
der Größe des Bruchs und des Alters des Patienten eine schwierige Operation
wäre.
Was mir hier am meisten zu schaffen macht, sind die „unnötigen“ Todesfälle vor
allem von Kindern und Müttern und auch, dass die Ärzte und Schwestern hier so
ganz anders damit umgehen. Z.B. ist es nicht Aufgabe des Arztes, mit den
Angehörigen zu sprechen. Das macht die Schwester, nachdem der Arzt den Tod
festgestellt hat.
Zum Glück werden zwei Jahre hier nicht genug sein, um mich daran zu gewöhnen.
Und vielleicht hilft es ja manchmal auch schon, einfach nur nachzufragen.
Jedenfalls wurde ich beim letzten Mal schon von der Schwester gefragt, ob ich
den Angehörigen etwas sagen möchte, und sie hat dann für mich übersetzt.
Wenn ich hier abends ohne Elektrizität sitze oder morgens von den Ziegen und
Hähnen geweckt werde, bin ich immer froh, wenn sich tagsüber der Laptop
aufgeladen hat. Beim Nach-Hausen-Schreiben ordnet und relativiert sich so
manches und die Antworten helfen mir auch, die Dinge noch mal von einer anderen
Seite zu sehen.
Ich wünsche Euch allen noch eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten,
Margret Fockenberg
Alle mussten sich auf dem T-Shirt verewigen |
|
Viele waren gekommen |
um Margret alles Gute zu wünschen. |
Margret schickte uns erste Informationen zu Tansania:
In dem Distrikt Tandahimba wo Margret stationiert ist gelten folgende Zahlen:
Tansania am 2.11.2008 per E-Mail an Grafenwald.de
Inzwischen bin ich seit einem Monat in Tansania und die Inlandsvorbereitung
für meine Arbeit in Tandahimba neigt sich dem Ende zu.
In den ersten drei Wochen habe ich zunächst meinen zukünftigen Arbeitsplatz
kennen gelernt und dann in den Arbeitsalltag in drei verschiedenen tansanischen
Krankenhäusern miterlebt. Wichtig waren natürlich vor allem die Unterschiede zur
Arbeit in Deutschland, die erheblich sind. Dazu gehörte neben der chirurgischen
Arbeit im OP, die wegen beschränkten Mittel auch anders abläuft als in
Deutschland, vor allem die Geburtshilfe.
Aber auch Weiterbildung von Kollegen und Mitarbeit an der Verbesserung der
Krankenversorgung des Distriktes durch Mitarbeit im Distriktgesundheitsteam,
werden in Tandahimba zu meiner Arbeit gehören. Deshalb war ich froh, in Mneru
und Ruangwa bei Bastiaan, einem holländischen Kollegen, der bereits seit zwei
Jahren für den DED arbeitet , sehen zu können, was das bedeutet.
Was Patienten erwartet, die in unserem Krankenhaus nicht behandelt werden
können, sondern ins Regionalkrankenhaus geschickt werden müssen, konnte ich bei
Peter, einem erfahrenen deutschen Chirurgen, in Tanga sehen. Auch das war
wichtig, denn so eine Überweisung ist ein erheblicher Aufwand für den Patient
und seine Familie, da muss ich als Ärztin schon sicher sein, dass die Chancen
des Patienten auf Heilung oder Beschwerdelinderung in dem Krankenhaus auch
wirklich besser sind.
Zwischendurch habe ich oft Angst vor meiner eigenen Courage bekommen, deshalb
bin ich auch froh, dass die Vorbereitung trotz der Kurse in Deutschland hier im
Land noch fortgesetzt wird. Das Wasser in das ich geworfen werde, ist auch so
noch kalt genug. Anschließend ging es dann nach Arusha zum Sprachkurs. In
Tansania ist die Nationalsprache Kisuaheli und wird, neben den verschiedenen
Stammessprachen von mehr als 95% der Bevölkerung gesprochen. Das ist ein
Riesenvorteil im Vergleich zu vielen anderen afrikanischen Ländern und
sicherlich mit ein Grund für die Tatsache, dass in Tansania die Zugehörigkeit zu
verschiedenen Stämmen keine große Rolle spielt. Infolgedessen hat sich aber die
englische Sprache nicht gleichermaßen durchsetzen können wie in Kenia zum
Beispiel, so dass der Wille, Kisuaheli zu lernen mit zu den
Einstellungsvoraussetzungen gehörte. Der Wille ist definitiv vorhanden, aber die
Sprache ist, allen Gerüchten zum Trotz eine ausgewachsene eigene Sprache mit
eigener Grammatik und Tausenden von neuen Worten, mit denen man, im Gegensatz zu
vielen englischen Begriffen, nichts verbinden kann. Also sind meine Vormittage
und Nachmittage ausgefüllt mit Unterricht und dann geht es an die Hausaufgaben
und oder ans praktische Ausprobieren der Sprache. Wie man auf den Bildern sehen
kann, kommt hier im schönen Norden von Tansania aber auch die Freizeit nicht zu
kurz. Gemeinsam mit Kurskollegen waren wir am letzten Wochenende im Nationalpark
von Arusha und haben neben der wirklich wunderschönen Landschaft viele Tiere
gesehen. Unser Kisuaheli konnten wir auch im Bus auf dem Weg nach Moshi zum
großen überregionalen christlichen Krankenhaus KCMC üben, denn weil man sich
gegenseitig fast auf dem Schoss sitzt, kommt man automatisch ins Gespräch. Wir
haben uns gut geschlagen.
Als Besucher aus dem Süden Tansanias fühlt man sich im KCMC wie in einer anderen
Welt: neue Geräte, Fachärzte, Blick auf den Kilimanjaro. Wir hatten das Glück,
von einer Kinderärztin durch das Krankenhaus geführt zu werden: hier liegen
wirklich schwerstkranke Kinder und Erwachsene aus der ganzen Umgebung und obwohl
die gemachten Anstrengungen groß sind und die Unterstützung aus vielen Ländern
durch Personal und Geld (z.B. auch von Misereor) enorm sind, ist der Standard
sicherlich auch hier unter dem von normalen Krankenhäusern der Grund- und
Regelversorgung in Deutschland.
In meiner letzten Woche im Sprachkurs liegt der Schwerpunkt auf medizinischen
Vokabeln, damit ich mich möglichst rasch direkt mit meinen Patienten
verständigen kann und niemanden mehr brauche der für mich übersetzt.
Realistischerweise (so auch die Erfahrung von Kollegen hier) wird das allerdings
noch 3-6 Monate dauern. Mein DED-Koordinator für den Bereich Gesundheit in
Tansania hat mir einen Artikel über meinen neuen Arbeitsplatz geschickt, ich
habe ihn an diesen Brief angehängt. Außerdem noch Bilder von Tandahimba, wie es
vom Satellit aus aussieht. Sobald ich mich ein bisschen eingelebt habe, schicke
ich Fotografien.
Margret Fockenberg
Auch einige Bilder sind eingetroffen
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