Die Festschrift aus dem Jahr 1924 enthält folgenden Bericht über die Pfarre Grafenwald
Geschichtliches und Kirchliches über Grafenwald. Die Pfarre Kirchhellen, die Mutterpfarre von Grafenwald zählt zu den ältesten des Untervestes. Urkundlich wird sie bereits im 12. Jhdt. genannt, sie ist aber zweifellos älter. Sie war der vom kl. Erzbischof Heribert von Köln (999-1021) gegründeten Abtei zu Deutz einverleibt. Wie alle ursprünglichen Pfarreien hatte auch Kirchhellen eine große räumliche Ausdehnung. Die am weitesten wohnenden Pfarreingesessenen hatten beiläufig einen Weg von 12 1/2 Stunden bis zur Kirche. Nur im Osten der Gemeinde ermöglichte der fromme Sinn des Besitzers des Hauses Beck im 15. Jhdt. die Errichtung einer Kapelle mit Vikariestelle in Feldhausen. Als dort mit der Zeit öffentlicher Gottesdienst eingerichtet wurde, waren den Bewohnern Feldhausens viele Wege zum Gotteshaus in Kirchhellen erspart. So lange die äußeren Bezirke nur spärlich bewohnt waren, machte sich der Nachteil der weiten Entfernung von der Kirche weniger bemerkbar. Das änderte sich, als infolge des Näherrückens des Bergbaues von Sterkrade, Bottrop, Gladbeck her, sich auch diese Gebiete mehr und mehr besiedelten. Es trag dies besonders zu auf den Süden der Bauerschaft Holthausen, den sog. Grafenwald. Ursprünglich bezeichnete dieser Name des Vosses- oder Junkern Sundern, ein Werdensches Lehngut, mit dem im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Herren und Grafen belehnt waren, zuletzt die Grafen von Merfeld; davon mag der Bezirk Grafenwald seinen Namen tragen. Der jetzige Pfarrbezirk Grafenwald umfasst außerdem noch frühere Sterkrader und Essener Lehnsgüter und Markengründe. Die Christianisierung dieser Gegend geht in ihren Anfängen auf die Zeit des hl. Suibertus zurück, eines Gefährten des hl. Willibrord; er machte gegen Ende des 7. Jhdts. Missionsreisen in den Borukterergau, der sich südlich der Lippe bis zur Ruhr erstreckte. Von Karl dem Großen wurde dies Gebiet dem Erzbischof von Köln unterstellt, Kirchhellen gehörte dem Archidiakonate Dortmund an. Im Jahre 1821 wurde es mit dem ganzen Veste Recklinghausen dem Bistum Münster angegliedert. Die erste geschichtliche Nachricht, welche den Distrikt Grafenwald angeht, stammt aus dem Jahre 1240 und betrifft die Gründung eines Zisterziensernonnenklosters durch Reginwindis, frühere Äbtissin von Düssern. In der Bestätigungsurkunde des Erzbischofs Konrad von Köln heißt es: Reginwindis "bat demütig und fromm um die Erlaubnis, ein Frauenkloster zu begründen.". Das Kloster wird in Schenkungsurkunden aus den nächsten Jahren wiederholt erwähnt. Schon nach einigen Jahren finden wir es von Defth nach Sterkrade verlegt, nachdem das Patronat über die dortige Kapelle von der Gräfin Mechtild von Holten dem Kloster zu Defth übertragen und die Kapelle selbst dem Kloster das Maria ad rivulum (am Bächlein) genannt wurde, inkorporiert war. In Sterkrade hat es bis zur Aufhebung der geistlichen Stifter und Klöster zu Anfang des vorigen Jahrhunderts fortbestanden. Der Volksmund in Grafenwald spricht noch heute vom "Zensenkloster". Es stand auf dem alten Hof Deffte (jetzt Wieschermann) unweit der Kirche. Bis in die neuere Zeit trugen noch 2 Flurstücke dieses Hofes den Namen Santen (heilig) Kamp bezw. Santen Heide. Was die Äbtissin bestimmt hat, das Kloster von Defth schon sobald nach Sterkrade zu verlegen, ist nicht bekannt. Die folgenden Jahrhunderte berichten nur wenig über den jetzigen Bezirk Grafenwald. Fernab vom Verkehr, abgeschieden hinter Busch und Sumpf, vom Rheingebiet getrennt durch unwegsames Waldgelände, werden sich keine geschichtlich denkwürdigen Ereignisse aus seinem Boden abgespielt haben. Was der Reisende aus dem alten Postwege von Dorsten nach Mülheim von Grafenwald sah, war nichts als Wald und Heide, hier und da ein Häuschen aus Fachwerk mit Strohdach, das aus der Lichtung auftauchte, und was er in den Schenken hörte, war von so geringer Wichtigkeit, dass es schon vergessen war, wenn er den letzten Schnadstein hinter Klüsener passiert hatte; es sei denn, dass es ein Räuberabenteuer war, das sich mal wieder dort in der einsamen Gegend abgespielt hatte. Nach dem 30jährigen und dem 7jährigen Kriege trieben sich nämlich große, organisierte Räuberbanden am Niederrhein umher, die es hauptsächlich auf Reisende und Postwagen abgesehen hatten und es ist nicht anzunehmen, dass sie ihre Tätigkeit auf rheinisches Gebiet beschränkten; sie werden vielmehr auch den nahen alten Postweg "bewacht" haben. Auch Kriegsvolk der verschiedenen Nationen wird Schrecken vor sich hertreibend dieses Weges gezogen sein. Mit manchen andern Gütern konnte auch das Gut Defth Jahre lang keine Pacht an das Kloster Sterkrade entrichten wegen der Brandschatzungen durch die wilde Soldeteska. In der Geschichte des Klosters Sterkrade wird dieser Hof noch mehrere Male erwähnt. Am 14. Aug. 1627 erhielt das Kloster den Defte Wald zum Geschenk von Elis. von den Capellen, einer Verwandten der Äbtissin Anna Maria von den Capellen. Das Kloster ließ den Wald durch einen Förster beaufsichtigen, der aber durch Diebstahl von Holz und Begünstigung das Vertrauen missbrauchte. Aus den Akten des Klosters geht hervor, dass eine ganze Anzahl von Kirchhellener Leuten sich an dem Holzdiebstahl mit Pferd und Wagen beteiligten. Der ungetreue Förster legte in Gegenwart des Küsters vor der Äbtissin ein Geständnis ab. Auf dem Deffte-Hof hielt das Kloster auch eine Schafherde. Im Jahre 1670 wurden 41 Schafe dorthin geschickt zur Weide. Diese Herde hatte sich aber nach 2 Jahren nicht nur nicht vermehrt, sonder war noch kleiner geworden, es waren nur mehr 41 Schafe vorhanden und 4 Lämmer. Das Kloster traute der Sache nicht und schickte die Defthesche Herde anderswohin. In den ausgedehnten Waldungen Grafenwalds streiften noch im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Wildpferde; im früheren Kaspers Kotten hatten sie einen Unterstall, wo ihnen bei allzu strengem Winter Rauhfutter ausgelegt wurde. Der waldreiche Charakter der Gegend hat sich bis zum heutigen Tage ziemlich erhalten, wenn auch viele Neukulturen geschaffen wurden und leider auch manche Abholzungen stattfanden. In diesem Bezirk Grafenwald nun hatten sich in den letzten Jahrzehnten des verflossenen Jahrhunderts eine ganze Anzahl Leute - Einheimische und Fremde - neu angesiedelt, die auf den benachbarten Zechen Arbeit fanden. Der Bau von Geschäftshäusern folgte. Die Zunahme der Bevölkerung gab dem Gedanken der Errichtung eines eigenen Gotteshauses in Grafenwald neue Nahrung. Schon unter Pastor Hermes (+ 1890), war dieser Plan aufgetaucht. Zuerst unbestimmt erörtert in interessierten Kreisen, nahm er bald bestimmtere Formen an. Öffentlich wurde er besprochen in der Versammlung, die am Palmsonntag des Jahres 1893 in der damaligen Wirtschaft Kreul stattfand. Auch Kaplan Dahlmann aus Kirchhellen, jetzt Pfarrer an Servatii in Münster, nahm daran teil. Man hielt die Ausführung des Planes bei gutem Willen und ausharrender Opferfreudigkeit für durchaus möglich. Anfang des Jahres 1894 wurde der Bischöfl. Behörde der Plan von neuem vorgetragen. Ein Eingabe war unterzeichnet von Franz May, Joh. Bußmann und Joh. Umberg. Die Unterzeichneten betonten darin die Dringlichkeit des Baues einer Kirche in Grafenwald, fußend auf einem Gutachten des Kaplans Dahlmann, der inzwischen Rektor in Oeding geworden war. Sie machen auch Vorschläge zur Aufbringung der Kosten für den Bau der Kapelle und die Unterhaltung des Geistlichen und schließen mit den Worten: "Und nun hoffen wir zuversichtlich, dass Gott unsere Bemühungen, welche im Interesse des Seelenheiles der dortigen Leute und er Erziehung der Kinder unternommen sind, segnen und das Hochw. Bischöfl. Generalvikariat die Sache zu Gunsten der fast verlassenen Leute entscheiden werde." Auf der Palmsonntags-Versammlung des nämlichen Jahres beschloss man monatlich eine Geldsammlung für den Bau bei den Bewohnern Grafenwalds abzuhalten. Diese Geldsammlung wurde nach Bildung eines Kirchenbauvereins im nächsten Jahre auf die ganze Gemeinde Kirchhellen ausgedehnt. Die gezeichnete Summe betrug 14600 Mk., welche in 3 Raten gezahlt werden sollte: die erste bei der Grundsteinlegung, die zweite, wenn der Bau bis zum Dache ausgeführt sei und die dritte nach Vollendung des äußeren Baues. Mit geringen Ausnahmen sind die gezeichneten Beträge später eingekommen. In hochherziger Weise schenkte Kaufmann Frz. Max zum Bau der Waldkapelle und der Wohnung des Geistlichen ein Grundstück von 7 Morgen gegenüber der Schule, im Mittelpunkt des Bezirkes Grafenwald. Franz May steht unter den Wohltätern der Kirche von Grafenwald an erster Stelle; er war die hervorragend treibende Kraft in der ganzen Kirchenbauangelegenheit. Ihm und den übrigen edlen Männern, die sich um den Bau der Kirche in Grafenwald verdient gemacht haben, bewahrt die junge Kirchengemeinde ein dankbares Gedenken. Um 25. Februar des Jahres 1896 erhielt durch Verfügung der Bischöfl. Behörde der Kapellenbau-Verein in der Person des Kaplans Engelbert Heinrichs aus Kirchhellen eine geistliche Spitze. Da stand der rechte Mann an der rechten Stelle. Unermüdlich war er für den Kirchenbau tätig, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, ein zäher Kollektang, der ohne eine Gabe nie ein Haus verließ. Auch ihm weiß Grafenwald heißen Dank; es hat ihn nie vergessen, wie auch er Grafenwald, für dessen Gotteshaus er so manchen Gang gemacht hat, nicht vergessen hat bis zu seinem Tode, der am 2. April 1915 zu Barlo erfolgte, wo er als Pfarrer wirkte. Gern hätte Kaplan Heinrichs auf der nächstfolgenden Palmsonntags-Versammlung die Mitteilung gemacht, dass mit dem Bau begonnen werden könnte, es stand indes noch die Genehmigung der kirchlichen Organe Kirchhellens und der Bischöfl. Behörde aus. Erstere verzögerte sich, weil ein Teil der Kirchhellener dem Kapellenbau in Grafenwald nicht wohlwollend gegenüberstand, teils aus der Befürchtung, dass eine der Kaplaneistellen von Kirchhellen nach Grafenwald verlegt werden könnte, teils aus anderen Gründen. Nach Überwindung dieser Widerstände und dem Zustandekommen eines ordnungsgemäßen Genehmigungsbeschlusses der kirchl. Verwaltungsorgane Kirchhellens im März 1897 gaben die Bischöf. Behörde und Staatsregierung noch in demselben Jahre ihre Zustimmung zum Bau. Da auch der vom Architekten Kersting in Münster entworfene sehr schöne und originale Bauplan gebilligt war, stand die Bahn frei zum Beginne des Baues. Der Kostenanschlag lautete auf 50000 Mk. Etwa 30000 Mr. waren durch Sammlungen aufgebracht oder standen durch Zeichnung in Aussicht; für die fehlenden 20000 Mk., durch durch Kollekten aufzubringen waren, verbürgte sich Franz May. Das Baukomitee zur Überwachung des Baues und zur Abwicklung der geschäftlichen Angelegenheiten setze sich zusammen aus den Herren Kaplan Heinrichs, Franz Max, Werner Knipping, Johann Umberg und den Kirchenvorstandsmitgliedern Johann Bußmann und Johann Kreyenkamp. Die Vorarbeiten, welche im Frühjahr 1898 begannen, waren rasch beendet, die Einwohnerschaft Grafenwalds wetteiferte in planmäßig verteilter, freudig geleisteter Arbeit, das Werk zu fördern. Die benötigten Steine wurden fast alle geschenkt und kostenlos von den Landwirten vom Bahnhof Kirchhellen bis in die Nähe des Bauplatzes gefahren, von wo sie auf Feldgleisen an Ort und Stelle weiter befördert wurden. Das Baukomitee, an seiner Spitze Kaplan Heinrichs, hatte rastlose Arbeit zu leisten, um Stockungen zu vermeiden. Leider musste Kaplan Heinrichs Kirchhellen bald darauf verlassen, um eine Rektorstelle in Burlo anzunehmen; an seine Stelle als Vorsitzender des Baukomitees trat Kaplan Dr. Küpper, der mit Treue und Eifer seinen Posten ausfüllte, auch später bei der Erbauund des Rektoratsgebäudes. Bereits am Sonnta, den 25. Juni, nachmittags 5 Uhr, konnte durch Pfarrer Dr. Lohmann aus Kirchhellen der Grundstein gelegt werden. Dank der milden Witterung schritten die Bauarbeiten weiter schnell voran: im Januar 1899 war die Kirche im Rohbau fertig. Bedauerlicherweise ereignete sich bei den Dachdeckerarbeiten ein Unglück, indem 2 Dachdecker abstützten, von denen einer alsbald seinen Verletzungen erlag. Im Herbst war die innere Ausstattung des neuen Gotteshauses soweit gediehen, dass an die Einweihung gedacht werden konnte. Der höchwürdigste Bischof Hermann setzte dafür den 24. Oktober fest. Am Tage vorher wurde er von der Pastorat zu Dorsten abgeholt und an der Gemeindegrenze von dem Amtmann v. Kleinsorgen begrüßt. Durch die Spalier bildenden Schulkinder und Vereine schritt er durch Dorfkiche. Nach eine kurzen Ansprache begab er sich zur Pastorat. Am folgenden Morgen fuhr der Oberhirt zur Konsekration der neuen Kirche nach Grafenwald. Trübe und nebelig war der Morgen aber siegreich drang die goldene Herbstsonne durch und lachte als ob sie sich mit dem Grafenwäldern freute, die frohgestimmt zu ihrer neuen Kirche eilten, die heute zu einer Wohnung Gottes eingeweiht werden sollte. Die Wege trugen reichen Schmuck, Bogen reihte sich an Bogen, Guirlanden und Kränze wandten sich über die Straßen und die Häuser entlang, von jedem hause grüßten Fahnen und Wimpel. Am herrlichsten aber präsentierte sich die Kirche mit ihrer Umgebung. Die Natur hatte ihr letztes zu ihrem Schmucke hergeben müssen; tagelang waren fleißige Hände tätig gewesen zu ihrer Ausschmückung. Segnend durchschritt Bischof Hermann die knieende Menge, legte die bischöfl. Gewänder an und begann die feierlichen, sinnreichen Zeremonien der Einweihung. Pfarrer Dr. Lohmann feierte das erste hl. Messopfer in dem neugeweihten Gotteshause und es war ein ergreifender Augenblick, als bei der hl. Wandlung der Heiland zum 1. Mal auf dem Altar herabkam und nun beständige Wohnung in Grafenwald nahm. In seiner Predigt hob der Hochwürdigste Herr die Wichtigkeit des Tages hervor, wies hin auf die hl. Familie, der die Kirche geweiht sei, dankte den Gläubigen und ermunterte sie, auch ferner für Gotteshaus und Gottesdienst gern Opfer zu bringen. Am 1 Uhr vereinte ein Festmahl 230 Personen im Saale des Wirtes Söller. Pfarrer Dr. Lohmann brachte das Hoch auf den Bischof aus, der in herrlichen Worten nochmals seinen Dank der Gemeinde Grafenwald aussprach und ihr eine segensreiche Zukunft wünschte. Um 3 1/2 Uhr trat der Oberhirt unter eine Eskorte von Reitern seine Weiterreise nach Gladbeck an. Nun hatte Grafenwald ein eigenes Gotteshaus, als erste in der ganzen Diözese gestellt unter den Schutz der hl. Familie Jesus, Maria und Josef. Ein langgehegter Wunsch war erfüllt. Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf etwa 70000 Mk. Die noch nicht gedeckten Kosten wurden durch Kollekten und sonstige freiwillige Spenden aufgebracht; die Kirchenkollekte ergab 15900 Mk. Schon nach wenigen Jahren waren die noch übrig gebliebenen Bauschulden für Kirche und Rektoratsgebäude soweit abgetragen, dass nur mehr die Summe von 12000 Mk. übrig blieb, die dem Gutsbesitzer Estermann in Stoppenberg geschuldet wurde. Dieses Schuldkapital wurde von der Mutterpfarre Kirchhellen verzinst und amortisiert, bis nach der Selbstständigmachung die Kirchengemeinde Grafenwald es wieder übernahm. Einstweilen fand nur an Sonn- und Feiertagen Gottesdienst statt, der von Patres aus verschiedenen Klöstern abgehalten wurde. Da der Gottesdienst aber nicht regelmäßig stattfand, weil nicht stets ein Pater zu haben war, kam es öfter zu Missverständnissen und Unzulänglichkeiten. Darum bemühte man sich um die Anstellung eines eigenen Geistlichen, für den man eine Wohnung im Jahre nach der Vollendung der Kirche fertig gestellt hatte unter einem Kostenaufwand von rund 15000 Mk. Im Herbst 1901 kam die freudige Nachricht, dass der bisherige Missionspriester von Stavanger in Norwegen, Dr. Theod. Sunder mit der Wahrnehmung des Gottesdienstes in Grafenwald beauftragt sei. Am 15. Nov. wurde der erste Seelsorger Grafenwalds in feierlichem Zuge unter dem Geleite von Reitern und Radfahrern, des Kirchenvorstandes und der Geistlichkeit Kirchhellens abgeholt und in das Gotteshaus geführt, wo Pfarrer Termöllen die Kanzel bestieg, den Einwohnern von Grafenwald gratulierte zur Ernennung eines eigenen Geistlichen und ihnen die Pflichten gegen ihren Seelenhirten ans Herz legte. Der neue Rektor fand ein reiches Feld für seine Tätigkeit. War auch die Kirche da und auch das notwendige Inventar vorhanden, so fehlte doch noch sehr vieles. Aller Anfang ist schwer. Die äußere Umgebung der Kirche und des Wohnhauses war vorher noch Busch und Heide, sah wenig einladend aus. Aber die Bevölkerung hat von vornherein ihrem Rektor treu zur Seite gestanden, um alle Schwierigkeiten zu überwinden. So war es möglich, die Kirche allmählich zu einem Schmuckkästchen auszugestalten und ihr eine würdige Umgebung zu geben. Schon im ersten Jahre konnte ein schöner Taufstein aufgestellt werden, ausgeführt vom Bildhauer Schmiemann in Münster, aus dessen Werkstätte auch die Kommunionbank und der Unterbau des Altares stammten. Der Maler Bartscher aus Oelde lieferte einen prachtvollen Kreuzweg im Beuroner Stil, zu dessen Anschaffung ein ungenannter Wohltäter eine ansehnliche Summe geschenkt hatte. Die feine Bemalung durch Goldkuhle in Wiedenbrück hob das Innere der Kirch in vorteilhafter Weise. Fast jedes Jahr brachte etwas. Das kleine Harmonium wurde abgelöst durch eine ganz hervorragende Orgel aus der Orgelbauanstalt von Breil in Dorsten. Der Preis betrug 7850 Mk. Es ist ein ganz vorzügliches pneumatisches Werk mit doppelter Klaviatur und wunderbar schönen, besonders zarten Registern. Die Orgel fand Platz auf der neu erbauten, sehr geräumigen Empore, die nicht nur den Sängern, sondern auch noch vielen anderen Gläubigen Raum bietet. Es ist eine Freude für den Priester, wenn er etwas tun kann für die Schönheit des Gotteshauses und der Gottesdienstes dank der bereitwilligen Mithilfe der Gläubigen. Ein schönes Gotteshaus erbaut die Gläubigen und ehrt die Gemeinde, die es geschaffen hat. Auch die Sorge um ihre Toten ließ die junge Gemeinde nicht außer acht. Für die Anlage eines eigenen Friedhofes brachte man in Grafenwald beträchtliche Mittel zusammen. Ein kirchlicher Friedhof ließ sich indes nicht durchsetzen, der Friedhof wurde Eigentum der politischen Gemeinde, der die Instandsetzung obliegt. Für das Gehalt des Rektors hatte man von Anfang an gesorgt: es war sichergestellt durch schriftliche Bürgschaft der Herren Franz May, Werner Knipping und Johann Kreyenkamp. Seit dem 28. Oktober 1907 bezog der Rektor von Grafenwald auch die Einkünfte der Vikarie Stae. Catharinae in Kirchhellen, die ihm von diesem Tage übertragen wurde. Den Küsterdienst versah unentgeltlich in der ersten Zeit der Wirt Bernh. Söller, bis ein gelernter Küster und Organist angestellt werden konnte. Das Harmonium bedienten verschiedene Lehrer in derselben zuvorkommenden Weise. Das religiöse Leben in Grafenwald nahm nach der Errichtung des Gotteshauses und der Anstellung eines eigenen Geistlichen den erfreulichen Aufschwunge, den man erwartet hatte. Man empfand dankbar die Wohltag, die Kirche mit dem eucharistischen Heilan jetzt so nahe zu haben. Jetzt machte es keine große Mühe mehr, den Gottesdienst öfter zu besuchen und die hl. Sakramente zu empfangen. Auch das kirchliche Vereinsleben entwickelte sich von Jahr zu Jahr. Schon bald erfolgte die Gründung des kirchlichen Gesangvereins Cäcilia, dessen Leitung zunächst der Rektor selbst in die Hand nahm. Durch Abzweigung vom Kirchhellener Knappenverein bildete sich der Knappenverein St. Joseph Grafenwald. Es folgten als weitere Vereine: Borromäusverein, Mütterverein, Männerapostolat, Jünglings-Sodalität, Jungfrauen-Kongregation und mehrere andere kleinere Vereine. Neu belebt und gestärkt wurde das religiöse Leben durch 2 Missionen, die im Jahre 1910 und 1918 stattfanden und von Jesuiten abgehalten wurden. 15 junge Leute aus Grafenwald haben seit dem 25jährigen Bestehen des eigenen Seelsorgsbezirkes den geistlichen Stand erwählt, 2 sind heute Priester, einer wurde ein Opfer des Krieges kurz vor Erreichung seines Zieles; die übrigen traten als Ordensschwestern in verschiedene Kongregationen ein, eine davon ist gestorben. Zur Zeit des Kirchbaues war an der Schule nur eine einzige Lehrkraft tätig, im Jahre 1901 wurde eine Lehrerin angestellt und die bis dahin allein bestehende einklassige Schule in eine Knaben- und Mädchenschule geteilt. Jetzt wirken an dem Schulsystem Grafenwald 6 Lehrkräfte: 1 Hauptlehrer, 2 Lehrer und 3 Lehrerinnen. In großzügiger Weise hatte Pfarrer Termöllen von Kirchhellen bereits 1901 dem Rektor Dr. Sunder das Recht gewährt, die Kinder aus dem Bezirk Grafenwald zu taufen und zur ersten hl. Kommunion zu führen. Nach Festlegung der Grenzen des neuen Bezirkes im Jahre 1906 wurden diese Rechte erweitert auf Beerdigung und Trauung, sodass der Rektor tatsächlich von da an alle Pfarrerrechte für Grafenwald besaß. Es fehlte nur noch die volle Selbstständigmachung des Rektoratsbezirkes Grafenwald durch Erhebung zu einer Pfarre. Die dahin zielenden Bemühungen des Rektors waren im Jahre 1914 der Verwirklichung nahe gerückt, als der Weltkrieg ausbrach und die Pfarrwerdung hinausschob. Diese erfolgte dann am 20. Juni 1919. Das bedeutsame Ereignis wurde den Gläubigen durch Verlesung der Errichtungsurkunde von der Kanzel bekannt gegeben. Rektor Dr. Sunder, der die ganze kirchliche Entwicklung Grafenwalds miterlebt und tatkräftig beeinflusst hatte, wirkte leider nicht mehr dort, als durch die Pfarrerhebung diese Entwicklung einen vorläufigen Abschluss nahm. Nach 15jähriger eifriger und selbstloser Tätigkeit war Dr. Sunder am 11. November 1916 als Pfarrer nach Vellern versetzt worden; die Dankbarkeit der Grafenwälder, die seinen Weggang schmerzlich empfanden, folgte ihm dahin nach. Sein Nachfolger wurde Rektor Vissing durch Bischöfl. Verf. vom 1. Dezember 196; die Ernennung zum 1. Pfarrer erfolgte am 1. September 1919; unter strömendem Regen erfolgte seine Einführung durch den Landdechanten Peter Karthaus aus Erle am 28. September 1919. Selten wohl ist ein einem Filialbezirk unter gleichen Verhältnissen die Entwicklung zur vollen Selbstständigkeit so schnell und och nicht überhastend vor sich gegangen, wie in Grafenwald. Um so rühmenswerter muss das anerkannt werden, als bis heute der allergrößte Teil der Bevölkerung aus minderbemittelten Leuten besteht; Franz May verkaufte schon im Jahre 1902 sein Besitztum an die Industrie und verlegte seinen Wohnsitz nach Münster. Die erwartete industrielle Entwicklung hat in Grafenwald bis heute nicht eingesetzt. Die Seelenzahl der jungen Pfarrgemeinde beträgt mit rund 1300 Katholiken nur etwa 400 mehr als bei der Einweihung der Kirche vor 25 Jahren. In diesem Falle ist also die kirchliche Entwicklung und Organisation der industriellen vorausgeeilt, während es sonst umgekehrt zu sein pflegt. Wenn aber einmal diese Entwicklung eintritt, dann möge die Pfarrgemeinde Grafenwald sich voll gewappnet zeigen gegen die dem religiösen Leben oft verhängnisvollen Begleiterscheinungen der einrückenden Industrie. Soli Deo gloria! |
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