Kultivierung des Fernwalds

Kultivierung des Fernwalds

Kirchhellen, 3. Oktober 1925

Zwischen der von Sterkrade über Bischofssondern nach Kirchhellen - Dorsten führenden Landstraße im Osten und dem alten Postwege, der von der Holtenstraße im Sterkrade über die Königshardt - Grafenmühle im Westen nach Dorsten führt, liegt der früher fiskalische Fernwald. Seit 1916 im Besitz der Gutehoffnungshütte, hat man seit wenigen Jahren in der südlichen Ecke des Geländes mit dem Abteufen der Hanielschächte begonnen. In nächster Nähe dieser Vorboten der Industrie regt sich die Landwirtschaft. Kaum eine Viertelstunde von der Dorstenerstraße, in der Nähe des Ausflugsortes Maus, östlich ist das landschaftliche Bild vollkommen geändert. Statt rauchender Essen erblickt man vom Winde leicht bewegte Kornäcker neben saftig grünen Wiesen, mit Kartoffeln und sonstigen Feldfrüchten bestellte Felder, das ganze umrahmt von schönem Hochwald.

Der Wanderer, der noch im vergangenen Frühjahre den Weg von Bischofssondern zur Grafenmühle ging, überschritt öde Brandflächen mit krüppelhaften Kiefern und spärlichem Birkenaufwuchs. Im westlichen Teile der Fläche mußte er sorgfältig darauf achten, daß er nicht vom Wege abirrte und in tiefe Moor- und Wasserlöcher einsank. Hier war das Revier der Kreuzotter. Vor stark Jahresfrist erhielt die Forstverwaltung den Auftrag, die Frage zu prüfen, wie diese Flächen mit Erfolg landschaftlich auszunutzen seien. Die vorgenommenen Bodenuntersuchungen und die Prüfung der Wasserverhältnisse ergaben, daß die trostlos aussehenden Flächen, wenn auch unter nicht zu verkennenden Schwierigkeiten, sich in gute Äcker, Wiesen und Weideflächen umwandeln ließen und daß es sehr wohl möglich sein, etwa 400 bis 500 Morgen in verhältnismäßig kurzem Zeitraum für die Gewinnung von Feldfrüchten vorzubereiten.

Die Arbeiten wurden dann planmäßig, u. a. von der Firma Liesenklas - Kirchhellen in Angriff genommen. Im April vorigen Jahres setzte auf der toten Fläche plötzlich reges Leben ein. Hundert fleißige Hände rodeten Baumstümpfe, verlegten Bachläufe, zogen Gräben. Heide, Ginster und trockenes Gras wurden unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln abgebrannt. Schon Ende April rückten Dampfmaschinen mit den schweren Pfluggeräten an. Groß waren die Schwierigkeiten, die sich allein der Heranschaffung der mehr als 200 Zentner schweren Lokomotiven auf den grundlosen Wegen entgegenstellten. Sie waren nichtssagend gegenüber all dem, was der jungfräuliche Boden im Kampfe gegen seine Bezwinger aufbot. Pfluggeräte und Lokomotiven verschwanden plötzlich in Wasserlöchern, die an der Oberfläche nicht zu erkennen waren. Trotz aller Widerstände konnte bis zum Eintritt des ununterbrochenen Regenwetters, das jede weitere Dampfpflugarbeit ausschloß, der weitaus größere Teil der in Frage kommenden Flächen gepflügt werden. Da der mit riesigen Pflugschollen bedeckte Sturzacker mit Gespannen noch nicht bearbeitet werden konnte, mußte wieder die Maschine helfen. Ein sinnreiches, besonders für diesen Zweck konstruiertes Schneidegerät wurde, wievorher das Pfluggerät, über die Schollen gezogen, und dann erst war es möglich, die Weiterverarbeitung der Flächen vorzunehmen. Wo im März noch Wildnis war, wurde Ende Juli bereits das Saatkorn in den Boden gesenkt. Die Gründüngung für die im nächsten Jahre zum Kartoffelanbau bestimmten Flächen mußte eingebracht werden. Wiesen wurden eingesät, die mit saftig schimmerndem Grün das Ackergrau der Schollen unterbrechen. Doch noch gab sich der Boden nicht besiegt. Die fortgesetzte nasse Witterung hatte den aufgebrochenen Boden in eine Schlammasse verwandelt; das Wasser konnte aus den vielen, durch die tiefe Pflugfurchen im Boden geschaffenen Hohlräume nicht abfließen, der Untergrund war fest und undurchlässig. Es blieb weiter nichts übrig, als die Flächen planmäßig zu drainieren. Mehr als 25 Kilometer Saug- und Sammlerstränge sind verlegt. Dann aber war der Bann gebrochen, und willig ließen sich die Heide und das Bruch in den Dienst der Menschen zu stellen. Fast 400 Morgen Fläche sind innerhalb eines Jahres an dieser Stelle zur Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln vorbereitet und in der Frühjahrsbestellung begriffen. Und wo noch vor einem Jahr Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten, werden jetzt im Herbst Mäh- und Erntemaschinen ihr eintöniges Geräusch vernehmen lassen.


Der Artikel über den Fernewald erschien vermutlich kurz nach dem 3. Oktober 1925. Er könnte in der Gladbecker Volkszeitung gestanden haben.

Die Fläche, um die es hier geht ist die Ackerfläche östlich des früheren Gutshofs Fernewald. Heute steht auf einem großen Teil dieser Fläche die Halde Schöttelheide.


letzte Änderung: 25.02.2022 Impressum - Datenschutz