Eigentlich sollte der Grundstein der neuen Kirche schon anlässlich der Feiern 1969: "70 Jahre Kirche und 50 Jahre selbständige Pfarrgemeinde HI. Familie Grafenwald" gelegt werden. "Doch irgend etwas kam dazwischen", wie schon oft in den Jahren davor. Später wurde anstelle eines Grundsteines ein einfaches Holzkreuz aufgerichtet, an dem Ort, wo jetzt der Altar steht. Der Kirchenvorstand hatte hierfür den Bauplatz durch Seile an Pflöcken im Gelände markiert. Der feierliche Akt der Aufstellung des Kreuzes war nach der sonntäglichen Andacht. Viele Pfarrangehörige nahmen an der Segnung des Kreuzes durch unseren Pastor teil. Auch der Kirchenchor und die Blaskapelle Grafenwald gestalteten die Feier mit.
In den Verhandlungen mit dem Bergbau kam es zu Meinungsverschiedenheiten in Kostenfragen. Die Vertreter des Bergbaus waren der Auffassung, dass durch den Kostenmehraufwand der Bergschadenssicherung das Kirchengebäude eine bessere Qualität erhalte. Von Prof. Luetkens war ein Mehraufwand für die Bergschadenssicherung von 126.000 DM genannt worden. Man einigte sich schließlich auf einen Zuschuss von 100.000 DM durch den Bergbau.
Inzwischen waren auch die ersten Ausschreibungsergebnisse eingegangen. Die Erd-, Mauer- und Stahlbetonarbeiten wurden der Fa. Kreyenberg, Duisburg, übertragen. Nachdem auch die Baugenehmigung der Bauaufsichtsbehörde zum Bau der Kirche vorlag, konnte im Mai 1970 mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Die Planung der zweiten Pfarrkirche war, wie der Bau und die Errichtung des ersten Gotteshauses, mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden, bevor der sehnsüchtig erwartete Auftrag für den Baubeginn vergeben werden konnte.
So sah die Konzeption des Bauwerkes aus:
Auf drei Punkten ruht der gesamte Baukörper der Kirche. Diese drei Fundamentpunkte müssen zugänglich bleiben, um evtl. auftretende Senkungen regulieren zu können. Der Kirchenbaukörper ist in sich steif und besteht, außer aus dem starren Betonsockel, aus einem Betonskelett. Ein innerer Dreieckrahmen, der auf drei Raumsäulen, die als stützen im Innenraum der Kirche zu sehen sind, trägt das den gesamten Kirchenraum überspannende Faltdach aus Stahlbeton. Werktagskirche und Sakristei sind ebenfalls gegen Bergschäden gesichert. Dieser Teil der Kirche besitzt ein eigenes Fundament und ist nur einseitig an die Hauptkirche angehängt. Die Bedachung der Werktagskirche ist ein Flachdach mit umlaufender Betonattika. Kellerräume sind hier nicht vorhanden. Der unterhalb vorhandene Freiraum ist als offene Abstellfläche ausgebildet.
Die Bauarbeiten gingen zügig voran. Im Oktober 1970 war der Rohbau für das Untergeschoss der Kirche fertig. Wiederholt wurden die Pfarrmitglieder über den Stand der Bauarbeiten unterrichtet. So auch in einer Pfarrgemeindeversammlung, die im Oktober 1970, im Saal der Gaststätte "Buschler", stattfand. Hierbei war auch der Architekt Dipl. Ing. Kösters anwesend, um Interessenten Auskunft zu geben. Er gab Informationen über den Stand der Bauarbeiten und seine Vorstellungen, wie er sich die Kirche ausgebaut vorstellte. Zum besseren Verständnis und zur Veranschaulichung hatte er seine Zeichnungen, Dias und Modelle mitgebracht. Er ging von der Fertigstellung der Kirche, der Werktagskirche und der Sakristei im Herbst 1971 aus, vorausgesetzt der Winter würde keinen Strich durch die Rechnung machen. Zum Abschluss der Veranstaltung meinte Pastor Fögeling: "Wenn diese Grafenwälder Gemeinschaftsaufgabe gelingen soll, dann müssen sich alle Pfarrangehörigen dafür interessieren und lebhaft Anteil am Fortgang der Arbeiten nehmen, damit später alle sagen können: Das ist unsere neue Kirche". Er bedauerte, dass zunächst kein Kirchturm in das Projekt eingeplant werden konnte und sagte: "Den müssen wir selbst finanzieren."
Anfang Dezember 1970 hatte die Baufirma Kreyenberg mit dem Verlegen der Eisen für den Stahlbeton des Kirchendaches begonnen. Einschließlich dem Betonieren sollten die Arbeiten bis Heilig Abend abgeschlossen sein. Es war vorgesehen, den Beton für das Kirchendach ohne Unterbrechung, mit Überstunden, zu gießen. Der Winter machte dabei wirklich einen Strich durch diese Rechnung. Nachdem man morgens mit dem Betonieren begonnen hatte, wurde es am Nachmittag des 22.12.1970 merklich kälter. Strenger Frost folgte. Als erstes fror die Wasserleitung für den Betonmischer ein. Dann der Betonmischer selbst und die Kufen für den Höhenförderer des Betons. Der Mörtel gefror. Gegen 23 Uhr konnte überhaupt kein Beton mehr gemischt werden. "Es lief nichts mehr." Auch der eiserne Wille der Bauarbeiter mit ihrem Polier Kannenberg konnte nichts ändern. Der größte Teil der Dachfläche, ca. 2/3 war gegossen, als der Winter die Bauarbeiter, die immer wieder aus der Pastorat mit warmen Getränken versorgt wurden, zwang, die Arbeit einzustellen und "den Herrgott walten zu lassen". Die Besorgnis, die Unterbrechung könne Auswirkungen auf das Dach haben, war bei allen groß. Bei einer späteren Besichtigung der ganzen Dachfläche wurde festgestellt, dass der Beton an mehreren Stellen abgeblättert und stellenweise Eisen der Stahleinlagen vom Beton nicht mehr überdeckt waren. Dies gab Veranlassung, ein Gutachten von einem vereidigten Sachverständigen anfertigen zu lassen. In diesem Gutachten wurde die Feststellung getroffen, dass die Betonarbeiten am Kirchendach nicht von Minderqualität seien. Die schadhaften Stellen seien zu verputzen.
Nachdem das Betondach gegossen war, konnte der Eternitschiefer in Schindelform angebracht und mit der Klempnerarbeit begonnen werden. Diese Arbeiten wurden von der Fa. H. Gudel, Raesfeld, ausgeführt.
Alle anderen Arbeiten folgten ohne große Verzögerungen entsprechend dem Baufortschritt. Die örtliche Bauleitung hatte Architekt Theodor Sander aus Münster, ein Mitglied des Architektenteam Kösters und Balke.
Nach einer sehr langen Planungszeit und nur knapp 18 Monaten Bauzeit stand das neue Gotteshaus mit der Werktagskirche. Das Architektenteam Kösters und Balke hat versucht, aus der, durch die Bergschädensicherung vorgegebenen Konstruktion ein schönes und würdiges Gotteshaus zu schaffen. Aus einer Beschreibung "ihres Bauwerks" ist u.a. zu entnehmen:
Mit der aus statischen Formen entwickelten Grundform eines gleichseitigen Sechsecks mit 15 m äußerer Seitenlänge und rund 25 m innerer Spannweite, wurde bei der Kirche eine Raumform zugrunde gelegt, die auch den Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils entgegenkam.
Um einer kleineren Gemeinschaft einen Gottesdienst zu besonderen Feiern zu ermöglichen, wurde auch eine kleine Werktagskirche eingerichtet. Zusammen mit der Sakristei befindet sie sich in einem flachen Anbau, der an den Hauptbau angeschlossen ist. Die Werktagskirche steht in enger Sichtverbindung zur Hauptkirche, so dass sie auch an Sonn- und Feiertagen mitbenutzt werden kann. In dieser Werktagskirche mit eigenem Eingang von außen, haben zwei Beichtstühle in Wandnischen ihren festen Platz. Es sind bewegliche Bänke und ein beweglicher Altar aufgestellt.
Die Sakristei hat jeweils einen direkten Zugang zu beiden Kirchenräumen.
Die Hauptkirche wird durch zwei gleich große Eingänge betreten. Die schweren Aluminiumtüren des Bildhauers Stangier, Telgte, wollen dem Kirchenbesucher den Inbegriff der Pforte vermitteln, eines Schreitens von einem Außenraum in einen Innenraum, einem Wechsel, der den Mensch umstimmt. Vom gleichen Künstler sind auch die Weihwassersäulen, die Apostelleuchter und das Ewige Licht in der Kirche.
Der Innenraum der Hauptkirche gestaltet sich durch die gewählte Form des Daches, einer dreiteiligen, flachen Pyramide über dem Sechseck, als ein zeItartiger Raum, der von 3 Seiten klares, helles Licht erhält, welches bewusst durch die Fenstergestaltung nicht in ein lebhaftes Farbspiel abgewandelt wird. Dieses Licht und die gewählten Materialien im Innenraum vermitteln dem Kirchenbesucher einen Raum, der bei aller Schlichtheit und Einfachheit Würde und Andacht ausstrahlt.
Es liegen jeweils eine geschlossene Traufenwand und eine geöffnete Giebelwand gegenüber. Dieses Prinzip wird an der Südseite durch die angeschlossene Werktagskirche durchbrochen. Die Betonkonstruktion ist im aufgehenden Teil im Äußeren mit roten, im Inneren mit dunklen Ziegeln verblendet. Passend dazu ist die Holzdecke aus kanadischer Douglas-Fichte in SchindeIform gewählt, die gegenüber einer einfachen Bretterdecke den Vorzug größerer Ruhe und klarer Gliederung hat. Die drei großen Giebelfenster sind in sichtbaren, gestrichenen Betonflächen geblieben.
Die Holzdecke wurde von der Fa. B. Wessendorf, Alstätte, angebracht.
Die künstlerische Gestaltung der Fenster ist ein Entwurf des am Niederrhein lebenden Glasmalers Joachim Klos aus Nettetal-Schaag. Der Kirchenvorstand hatte sich vor Auftragsverteilung verschiedene Werke dieses Künstlers angesehen. Die Fenster wurden von den Architekten so beschrieben:
Die Art, die Fenster graphisch und gitterartig zu entwickeln, ergibt einen durchsichtigen, sehr lichtdurchlässigen Schleier. Der Raum wird begrenzt, aber nicht verschlossen. Ganz sparsam, mit ausgewählten Farben werden Akzente gesetzt, in denen Klos Andeutungen macht über die Freuden (das Halleluja im Ostfenster) und die Leiden dieser Welt (das Antlitz Christi und die schweren Kapitelle/Säulenabschlüsse im Westfenster), gleichzeitig aber auch darauf hinweist, dass nichts vollkommen ist (Südfenster). Kein Wunder, wenn die Arbeiten von Klos, trotz ihrer verschlüsselten Ausdrucksweise, die Kirchenbesucher stark ansprechen, da unbewusst viele Empfindungen des modernen Menschen auf der Suche nach seinem Selbstverständnis im Leben und im kirchlichen Raum mitschwingen. Das Antlitz Christi, mag es im Schweißtuch sein oder nur Abbild eines leidenden Menschen, ist Mahnung und Trost zugleich.
Die bildliche Darstellung, Kreuz mit Rose, im Fenster der Werktagskirche, ist eine Ausnahme. Ansonsten ist die Gestaltung eine Fortsetzung der gestalteten drei Kirchenfenster. Auch dieses Fenster ist ein Werk vom Glasmaler Klos. In den Kirchenfenstern ist als Doppelverglasung außen Drahtglas eingesetzt.
Die Rahmen für alle Kirchenfenster sind von der Fa. Paul Vos, Geldern- Verth, hergestellt. Die Glasfenster hat die Fa. H. Derix, Kevelar, ausgeführt.
Für die Beleuchtung der Hauptkirche hängt im Raum ein ganz leichtes Lichtraster, an dem über den ganzen Kirchenraum verteilt die Leuchten so aufgehängt sind, dass sie nicht stören, sondern eher zur Bereicherung des Raumes dienen und überall gutes Kunstlicht vermitteln. Das Raster soll den Blick auch immer wieder auf den Altar, den Mittelpunkt, zurücklenken.
Die Kirchenbeleuchtungskörper sind eine Ausführung der Fa. J. Poeschel aus Münster. Die elektrische Installation wurde von der, in unserer Pfarre ansässigen Elektrofirma Franz Bromkamp, vorgenommen.
Der Fußboden, in dem zur Beheizung des Kirchenraumes eine Elektroheizung verlegt ist, ist mit einem dunkelgrau-grünen Alta-Quarzit plattiert, der außerordentlich abriebfest und griffig in der Oberfläche ist und zudem besondere akustische Vorteile bietet. Mit der Planung und Verlegung der Fußbodenheizung war die Fa. Eugen Klöpper, Dortmund, beauftragt. Die Natursteinarbeiten führte die Fa. Berghoff & Schulte, Anröchte, aus.
Die Chorzone in ihrer sechseckigen Form ist nahe an die Gemeinde herangeführt, so dass die Bänke dreiseitig, in Blöcken, um die Altarzone herumgeführt werden konnten. Für die Einrichtung der Altarzone konnte Prof. Hein Wimmer aus Köln gewonnen werden, der aus dem im Mai 1969 hierfür eigens durchgeführten Ideenwettbewerb als Preisträger hervorging. Er gestaltete den Altar als Mahltisch, Tabernakel in Zeltform und Pfeiler, Ambo sowie Priestersitz und Sitze für die Assistenten, dazu Taufstein mit Taufbecken und das Kreuz im Chorraum mit der Symbolgestalt als Christkönig. Alle diese seine künstlerischen Werke beziehen ihre Würde aus den guten Proportionen und den edlen Materialien. Sie sind einfach und frei von Ornamenten, wie es ihrer großen Aufgabe und dienenden Zweck am besten entspricht. Trachyt aus dem Westerwald wurde ausgewählt, da dieser Stein in einem wohl abgewogenen Farbgegensatz zu den dunklen Ziegelsteinwänden des Hintergrundes steht.
Die Schreinerarbeiten der Kirche, einschließlich der Herstellung und Lieferung der Bänke, führte die Fa. Theodor Flockert, Kirchhellen, aus, ausgenommen die Bänke an den Seitenwänden, die von der Fa. Johannes Fockenberg, aus unserer Pfarre, ausgeführt wurden.
Rund 450 Sitzplätze stehen in der Hauptkirche und rund 65 in der Werktagskirche zur Verfügung.
Für die äußere Dachhaut wurde dunkelgrauer Eternitziegel gewählt, der in einem guten Kontrast zur Außenverblendung steht.
Als äußeres Zeichen der Kirche ist auf der Spitze des Daches über einer Weltkugel ein gleichschenkliges Kreuz errichtet, als Symbol der Erlösung durch die Kreuzigung und Auferstehung Christi und zum Zeichen des Sieges über die Mächte der Finsternis und der Wiederkunft Christi am Weltende. Beide Teile des Symbols sind vergoldet. Unsere Kirche ist im Geiste der Liturgiereform einfach gestaltet. Sie zeigt nach außen und innen keinen protzigen Überfluss, der mit dem Inhalt und Zweck des Bauwerks keinen Zusammenhang hat.
Außer den vorgenannten haben weitere Bauleute an dem Neubau der Kirche mitgearbeitet.:
Die Architekten Kösters und Balke fassen in ihrer Beschreibung zum Abschluss des Kirchenneubaues zusammen:
"Am Schluss mag dankend vermerkt sei, dass während der gesamten Bauzeit eine gute Teamarbeit geleistet wurde, wie sie heute unumgänglich ist. Der Dank gebührt allen am Werk Beteiligten, den Unternehmern und Bauleuten, dem Kirchenvorstand und dem unermüdlichen Bauleiter, Herrn Sander. Alle haben sich mit großem Interesse und Fleiß für den Kirchbau eingesetzt und so ein Beispiel gegeben für die richtige Auffassung, dass gute Arbeit auch Dienst am Werke Gottes ist".
entnommen aus : Johannes Lanfermann: 25 Jahre Heilige Familie Grafenwald, 1996
Die drei Fotos mit dem Richtkranz auf der Kirche stammen von Josef Lux und wurden von seinem Sohn Hans zur Verfügung gestellt.
Die übrigen Fotos stammen aus dem von Johannes Lanfermann geführten Archiv der Pfarre Hl. Familie.
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