Chronik des Schützenvereins Grafenwald.

Grafenwald. im September 1924.

Wie seit alten Zeiten Grafenwald zu Kirchhellen gehörte, so nahmen auch die Bewohner Grafenwalds an den kirchlichen und weltlichen Festen in Kirchhellen teil. Auch an den Allgemeinen Bürgerschützenfesten, welche alle 4-5 Jahre in Kirchhellen gefeiert wurden, beteiligten sich die Bewohner Grafenwalds sehr rege. Als aber im Laufe der Zeit die Einwohnerschaft in Grafenwald größer wurde und Grafenwald im Jahre 1900 eine eigene Kirche erhielt, änderte sich die Sache schon etwas. Die Grafenwälder beteiligten sich zwar noch an den Schützenfesten in Kirchhellen, aber man hörte doch von Jahr zu Jahr mehr Stimmen, welche darauf drangen, dass auch in Grafenwald selbst ein Schützenfest gefeiert werden könnte. Der Plan, welcher an allen Ecken der Kirchengemeinde auftauchte, nämlich einen Schützenverein in Grafenwald zu gründen, wäre wohl bald in Erfüllung gegangen, wenn der fürchterliche Weltkrieg nicht dazwischen getreten wäre. Die Gründung des Vereins kam erst in Fluss, als im Jahre 1921 der Bergmann Wilhelm Duckheim die Sache energisch in die Hand nahm, die Vorarbeiten traf und am 21. September desselben Jahres im Saale der Wirtes Heinrich Buschler, Grafenwald, eine Gründungsversammlung einberief. Zu dieser Versammlung hatten sich die Einwohner Grafenwalds zahlreich eingefunden. Der Plan, einen Schützenverein zu gründen, wurde freudig begrüßt. Es wurden sofort alle Vorbereitungen getroffen, auch sogleich der Vorstand gewählt:

Bergmann Wilhelm Duckheim, 1. vorsitzender
Bäckermeister Johann Dieckmann, 2. Vorsitzender
Hauptlehrer Joseph Sengelhoff, 1. Schriftführer
Bergmann Werner Veen, 2. Schriftführer
Wirt Bernhard Bornemann, 1. Schatzmeister
Bergmann Wilhelm Ellekotten, Schießmeister.

Als um diese Zeit die Inflation sich schon recht fühlbar bemerkbar machte und bei der gewaltigen Geldentwertung die Mittel äußerst knapp waren, erwies sich so recht die Begeisterung für den Verein, der es zustande brachte, dass schon nach zwei Monaten die Mittel zur Anschaffung der Fahne vorhanden waren. Die Herstellung der Schützenfahne wurde dem Kunstmaler Max Albers, Bottrop-Eigen, übertragen, der die prächtige Fahne zum Preise von 4300 Mark in Handarbeit herstellte. Am 20. November 1921 wurde das Offizierskorps gewählt. Es wurde gebildet auf folgenden Schützen:

Oberst: Theodor Wachtmeister
Major: Bernhard Eulering
Hauptleute:

 
1. Kompanie: Werner Veen
2. Kompanie: Theodor Stratmann
3. Kompanie: Josef Petermöller
Leutnants:

 
1. Kompanie: Johann Schmitz
2. Kompanie: Theodor Sandforth
3. Kompanie: Johann Lanfermann
Feldwebel:

 
1. Kompanie: Johann Notthoff
2. Kompanie: Johann Behmer
3. Kompanie: Johann Blümer
Fahnenoffiziere:

 
Hermann Schmitz
Franz Schmitz
Josef Thesing
Adjutanten:




 
Theodor Weiß
Wilhelm Peters
Klemens Fallböhmer
Johann Ellekotten
Bernhard Kalde
Theodor Löker.

Am Sonntag, den 27. November, trat der Verein, nachdem der hochw. Herr Pfarrer Vissing eine kurze Andacht gehalten hatte, zum ersten Male an die Öffentlichkeit und maschierte in geschlossenem Zuge mit Musik (16 Mann) zum Lokale des Schützen Bornemann, um die Fahne, welche dort ausgehängt war, in Empfang zu nehmen. Die älteren Herren (neun Mann) nahmen in freundlichst zur Verfügung gestellten Wagen an der Feier teil. Nachdem der 1. Schriftführer eine kurze Ansprache gehalten, wurde die Fahne von den Fahnenoffizieren übernommen und in stattlichem Zuge zum Vereinslokale überführt. Hier war gemütliches Beisammensein. Nach Verlauf von mehreren frohen Stunden wurde die Fahne zur Wohnung des Herrn Oberst gebracht, wo man in lebhafte Hochrufe auf Verein und Fahne einstimmte. Dann kehrten die Schützen in dem Bewusstsein, nach schwerer Zeit mal wieder frohe Stunden verlebt zu haben, in ihr Heim zurück.

Am 15. Januar 1922 veranstaltete der Verein im Vereinslokal das erste Preisschießen. Da hierzu von den Schützenbrüdern reichlich Preise gestiftet waren, war die Teilnahme groß , und viele der besten Schützen konnten mit Preisen bedacht werden.

In der Versammlung am 12. März 1922 wurde einstimmig beschlossen, am 22., 23. und 24. Juli 1922 ein Schützenfest zu feiern. Als Festplatz wurde die Wiese des Herrn Wilhelm Peters, Ecke Provinzial- und Schneiderstraße, gewählt, und zu diesem Zwecke zum Preise von 2000 M von Herrn Peters gemietet. Bei öffentlicher Verdingung am 16. April 1922 übernahm der Wirt und Oberst Wachtmeister die Restauration zum Schützenfeste. Gleichzeitig trat Wachtmeister von seinem Posten als Oberst zurück und an dessen Stelle wurde Heinrich Dieckmann zum Oberst gewählt. Am 18. Juni 1922 wurde in der Versammlung der Vorschlag gemacht, eine Königskette zu beschaffen, und diese aus Silbermünzen herstellen zu lassen. Zu dieser Zeit, wo man mit Papiergeld überflutet war, war es äußerst schwer, soviel Silbermünzen aufzutreiben, um eine Königskette herzustellen. Nach einem Aufruf an die Schützenbrüder stellten diese bereitswilligst ihre letzten Silbermünzen dem Verein zur Verfügung. Die Zusammengebrachten Münzen wurden vom Vorstand dem Goldschmied Friedrich Tesnow, Sterkrade, zur Anfertigung der Kette übergeben, welcher selbige auch künstlerisch fertig gestellt hat.

Nachdem die Vorarbeiten soweit getroffen waren, konnte zur Feier des ersten Schützenfestes geschritten werden. Das Festkomitee hat es wohl verstanden, das Fest in die richtige Bahn zu leiten. Die Feier nahm ihren Anfang mit einem großen Zapfenstreich gewesen war, traten am Nachmittag die Schützen geschlossen zur Fahnenweihe an. Die Weihe wurde vorgenommen von Herrn Amtmann Apffelstaedt, der dabei eine schwungvolle Ansprache hielt. Auch Herrn Pfarrer Vissing hielt eine zündende Rede. An dieser Feier nahm auch der Schützenverein Königshardt teil. Nach dem Weiheakt ordneten sich die Schützen zu einem stattlichen Festzuge, welcher sich unter Vorantritt der Mlumentahlschen Kapelle durch die Straßen Grafenwalds bewegte und im herrlich dekorierten Festzelt endete, wo alsdann der Festball begann. Am zweiten Tage, nachdem wiederum gemeinschaftlicher Kirchgang stattgefunden hatte, zogen die Schützen frohen Mutes zum Vogelschießen. Vor Beginn des Schießens, nachdem ein kurzes Gebet verrichtet war, hielt der hochw. Herr Pfarrer Vissing eine kurze Ansprache und gedachte in ersten Worten derjenigen Grafenwalder Kameraden, welche den Heldentod fürs Vaterland gestorben. Dann nahm Pfarrer Vissing als erste die Büchse zur Hand und sandte die erste Kugel dem Vogel in luftiger Höhe. Der zweite Schuss wurde von Herrn Amtmann Apffelstaedt abgegeben. Alsdann wurde das Schießen von den Schützen fortgesetzt bis zum Königsschuss. Beim 289 Schuss fiel der zähe Vogel durch einen wohlgezielten Schuss des Schützen Heinrich Jansen, welcher unter Kanonendonner und brausenden Hochrufen mit dem Titel Heinrich I. die Königswürde annahm. Er wählte sich unter allgemeiner Begeisterung Frau Johann Dieckmann zur Königin. Am Nachmittag war die Parade vor dem ersten Königspaare. Im Anschluss daran war großer Krönungsball. Am dritten Tage gabs Kinderbelustigung, damit auch diesen eine kleine Freunde bereitet wurde. Von allen Teilnehmern des Festes hörte man heute, nach Jahren noch, frohe Erinnerungen über den glänzenden Verlauf dieser Schützenfestveranstaltung. Im Jahre 1923 konnte der Verein infolge der Inflation und der Besetzung nicht so recht an die Öffentlichkeit treten, doch konnten ein paar lokale Ausflüge gemacht werden, wo die Frauen bei Kuchen und Kaffee und die Männer bei Bier einige frohe Stunden verlebten. In der Generalversammlung im September 1923 wurde bei der Vorstandswahl, nachdem Herr Sengelhoff zurückgetreten war, Johann Rebbelmund zum Schriftführer gewählt.

In der Versammlung am 6. Juli 1924 im Vereinslokal Buschler wurde beschlossen, auch im Sommer 1924 einen Ausflug mit Frauen zu veranstalten. Dieser fand am 20. Juli zum Gehöft des Schützen Johann Rebbelmund statt, wo - unter Beteiligung der Wagnerschen Kapelle - die Frauen mit Kaffee und Kuchen und die Schützen mit Bier bewirtet wurden.

Es muss noch erwähnt werden, dass die vier alten Veteranen Grafenwalds, Theodor Fockenberg, Bernhard Uhlenbrock, Franz Steffen und Heinrich Buschler, welche vor dem Schützenfeste zu Generälen ernannt wurden, sich rege an der Feier des Schützenfestes sowie auch an den Ausflügen beteiligten.


aus der Festschrift "Schützen-Erinnerungs-Fest zu Grafenwald b. Kirchhellen" aus dem Jahr 1924.


letzte Änderung: 10.07.2010 Impressum - Datenschutz