Den Akten des vestischen Archivs zu Recklinghausen nacherzählt von Karl Wessels, Kirchhellen.
Der Jagdvorfall ereignete sich am 3. Januar 1775 auf dem Essendischen Fernewald, auch Ruhen genannt, und dem Sterkrader Wald in Defft, also im heutigen Kirchspiel Grafenwald. Landesherr war Kurfürst Maximilian Friedrich, dessen Jägermeister im Vest Klemens August Graf zu Merveldt. Winkler, Rentmeister aus Haus Brabeck, das im Besitze des Freiherrn von Boenen war, hat ein Wildschwein geschossen, es nach Brabeck und von dort zu seinem Herrn nach Münster schicken lassen. Randebrock, kurfürstlicher Jäger, will das Wildschwein angeschossen haben und macht deshalb Ansprüche geltend.
Die Gerichtsprotokolle geben über den Vorfall Aufschluß, bringen aber auch manche für die Orts- und Heimatkunde bedeutsame Flur- und Personennamen.
Als Zeugen treten zunächst die Jäger Friedrich Kapmeier und Franz Hilger, außerdem der Gärtner des Hofes Beck, Georg Heimath, auf. Sie sind am 3. Januar des Morgens mit Bracken zum Wald gezogen. Gegen Mittag stießen sie in der Gegend der Cluse, auf`m Essendischen Wald gelegen, mit Randebrocks Bernd zusammen, der erzählte, daß sein Vater auf dem sog. Rugen ein Wildschwein angeschossen haben. Er bat sie, mit den Hunden dahin zu gehen, weil ihr Schweißhund sich verloren habe.
Auf der Schöttler Heide wurde die Spur, Schweiß auf dem Schnee, bemerkbar und bis aufs Starkenrather Wald verfolget. Nahe beim Wachtmeister aufm Kircheller Melkplatz, fand man die Stelle, wo das Schwein glaublich tot oder wenigstens matt und krank gelegen und sich geducket hatte. Das Wildschwein war aber nicht mehr da. Sie konnten nicht anders denken, als daß ein Dritter es sich angemaßet hätte. Von dem Ort an war die frische Spur einer Schubkarre nach Wachtmeisers Haus bemerkbar. Hier hörten sie, daß eben zuvor der Rentmeister Winkler zu Haus Brabeck das Schwein habe dahin fahren lassen. Auf Veranlassung des Oberjägers Randebrock gingen dessen Sohn Bernd und Franz Hilger nach Brabeck, um das Schwein zu reklamieren. Winkler behauptete, es selbst geschossen zu haben.
Kapmeyer sagt weiter: Am 5. Januar bin ich mit dem Rentmeister Greve vom Hause Beck noch einmal zum Walde gegangen, um nach dem Schwein zu hören. Wachtmeister gab an, das Schwein gesehen zu haben. Er und seine Leute seien mit Korn- oder Mistgabeln drauf losgegangen. Das Schwein wäre in der Gegend in der Runde herumgegangen und habe sich endlich gesetzet. Nun sei der Rentmeister herbeigerufen. Ob das Schwein beim Erscheinen Winklers tot oder noch lebendig gewesen sein, konnte Wachtmeister nicht sagen.
Andrees Bramkamp, ein Leineweber, in Defften Wiese, erzählte, daß er am 3. Januar das Schwein herankommend gesehen, verfolgt von zwei Hunden, von einem Tarhund und einem Spion, welche dem Schwein so nahe gelaufen, daß es angegriffen wurde. Es wäre auf ihn zugegangen. Er sei ausgewichen. Beim zweiten Male habe er es mit einem Krug zwischen die Ohren geschlagen. Er sei dann nach Wachtmeister gegangen und habe gesagt, daß ein wildes Schwein aufm Kirchplatz liege, worauf er nach Kirchhellen gegangen sei, um die Mutter des Ambtsfrohnen zur Erden bestättigen zu helfen.
Franz Hilger ergänzt: Winkler gab an, das Schwein geschossen zu haben. Er wolle es am Freitag seinem Herrn von Boenen nach Münster schicken. Der Baumeister von Brabeck , gefragt, wie sie es so geschwind erfahren, daß aufm Wald ein Schwein sei, gab die Antwort, der Wachtmeister habe die Kundschaft gebracht. Bei ihrer Ankunft auf dem Milchplatz habe das Schwein den Rachen weit offen gehabt. Der Winkler habe es in den Rachen geschossen.
Georg Heimath gibt an, am besagten Tage von dem Klaus und Hermann Fahnenbrock, an der neuen Mühle (Grafenmühle?) wohnhaft, vernommen zu haben, daß sie das Schwein laufen gesehen, welchen, von Hunden verfolgt, untreitig angeschossen gewesen wäre, weil es zu zweimalen versucht habe, über den neuen Essendischen Limiten = Grenzgraben zu setzen, daß es nicht Kräfte genug gehabt hätte und jedesmal zurückgefallen und darua nach der Schöttler Heide gelaufen sei.
In einem Schreiben an den Oberjägermeister, Graf von Merveldt, gibt Randebrock an, daß ihm Winkler nach Marin am Baum, wo keine angenehmen Wörter gefallen, gefolgt sei. In Gegenwart von Schulte-Nienhaus habe er ihn nochmals gefragt, ob er das Schwein ausliefern wolle. Er habe nein gesagt.
Im Verhör vor dem Adjunkten der Oberkellnerei zu Horneburg, Joseph Anton Rive, erzählt der Oberförster Randebrock von Bischofssondernden Umstand folgendergestalten: Wie daß er nehmlich den 3ten Januarii laufenden Jahrs bey etwa wenig gefallenen Schnee mit seinem Sohn Bernhard zum Walde gegangen, Schweine zu suchen und wirklich eines auf den sogenannten Ruhen gefunden und selbiges angeschossen habe, dieses aber mit dem Anschuß durchgegangen seye, seine Hunde aber, nemlich ein weißer Spion mit braunen Flecken und ein rother Dachshund, hätten selbiges beständig nachgejaget. Wie er nun selbst so geschwind ihm möglich gewesen, das Schwein verfolget, und zu dem ende die ohnweit der Clusen angetroffenen Hauß Beckischen Jägern zur Hülfe gerufen, so tätten in die sogenannte Schöttelbecke die Fährte vorgefunden, selbige gesamter Hand aufgenommen und bis auf dem Starkerader Walde succeßive Schweiß gespüret, auch endlich aus dem daselbst häufig zu sehen gewesenen Scheiß und sonstigen Merkmalen den Platz bemerket, wo das Schwein glaublich todt oder wenigstens sehr matt und krank gelegen hatte.
Die weiteren Aussagen Randebrocks decken sich mit den bereits bekannten Bemerkungen der übrigen Zeugen.
Winkler war durch einen Katarrh verhindert, zu erscheinen. Vom Amptsfrohnen von Kirchhellen, Alexander Uhlenbrock, zu einem neuen Termin geladen, sagt er:
Das Schwein hätte einen Anschuß in der linken Flanke gehabt, welches gleichwohl weder lethal noch weydemund gewesen , weswegen als er es geschossen gehabt, zu sich nach Brabeck genommen. Es sei unbillig, das Schwein zu reklamieren. Randebrock könne dem Schwein nicht auf dem Fuße gefolgt sein, denn um 10 Uhr sei es aufm Milchplatz gesehen, um 11 Uhr habe er es erschossen und 2 Uhr nachmittags seien erst die beiden Reklamanten auf Brabeck erschienen. Das Schwein sei in Gegenwart mehrerer Zeugen ausgeweidet und nicht der mindeste Schaden daran gefunden. Rademacher, welchem das Eingeweide gegeben worden und dieses gesäubert hätte, müsse insbesondere zeugen, daß es ohne allen Schaden gewesen.
Im einzelnen führt Winkler aus: Ich habe das Wildschwein ganz gesund im Lager sitzend gefunden, habe es hinter einer Buche stehend auf 50 Schritt weit, in die linke Seite des Mauls geschossen. Dann erst habe ich den Anschuß bemerket. Nach getanem Schuß ist er überm Haufen gefallen. - Nach den Hunden befragt, sagt Winkler: Ich habe zwei Dachshunde und eine Spion gebraucht, die aber dem Schwein nichts getan, weil es sofort nach dem Schuß umgefallen ist. Der eine Dachshund war schwarz, der andere weiß mit roten Flecken, der Spion weiß mit braunen Flecken. Scheiß habe ich ich gesehen als nach meinem Schuß. Der Sohn des Oberförsters Randebrock und Franz Hilger haben nicht gesagt, daß R. das Schwein geschossen habe. Sie haben es nur reklamiert.
Als Zeugen treten noch auf: der Wachtmeister, der Baumeister und der Mühlenbauer von Brabeck, der Bröß von Starkerath und der Kleine Heggemann von Bottrop. Ihre Aussagen bringen keine neuen Tatsachen.
In dem Urteil, dessen Revision verworfen wurde, heißt es, daß erwehnter Winkler mit solch thätlicher Hinwegnehmung zu Biell und Unrecht gethan, dahero hebst Ersetzung fothanen wilden Schweins dieses Frevels halber für diesmal in eine Brücktenstraße von zwanzig Goldgulden zu verweisen ist.
Bonn, den 25. April 1775
aus: Gladbecker Blätter 1929, Seite 47/48
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