Gebräuche bei Kindtaufen im alten Kirchhellen. (Aufgezeichnet in einer Versammlung des Vereins für Orts- und Heimatkunde.) Die Einführung eines neuen Erdenbürgers in Kirche und Nachbarschaft gestaltete sich bei unseren Großeltern sehr feierlich. Da wurde zunächst von der alten "Ule" erzählt, die das Kind aus hohlen Bäumen der "Ulenmoi" (Hebamme) oder Wiesenmoi zutragen mußte. Mit heiliger Scheu gingen die Schulkinder an den alten ehrwürdigen Bäumen vorbei. Wagten die Buben gar in ihrer Nähe zu spielen, so warten sie die "Ulenmoi", nicht mit Pfeilen nach den Bäumen zu schießen. Wer die "Uhlenmoi" bestellte, konnte eine blaue linnene Buchse oder Schürze verdienen. Nachdem das Uhlenkind das Licht der Welt erblickt hatte, legte die Hebamme dem Vater das Kind in den Arm. Dafür mußte dann der glückliche Mann ein Kaßmenten (0,25 M) zahlen. Wurde der erste Prinz geboren, dann donnerten in der Nachbarschaft die alten Büchsen und kündeten das frohe Ereignis allen Bewohnern an. Die Hebamme meldete das neugeborene Kind dem Pfarrer. Die Wahl der Taufpaten fiel meistens nicht schwer. Bei einem Jungen wurde der Großvater von Mannesseite und bei einem Mädchen der Großvater von Muttersseite "Pette". Nach dem "Petten" oder nach der "Gole" erhielt das Kind den Namen. Drei Tage nach der Geburt mußte das Kind getauft werden. Der "Pette" kam im langen Rock, in weißen Strümpfen und schwarzen Halbschuhen. Die "Gole" trug ihr Hochzeitskleid. Der Täufling erhielt ein seidenes, gekräuseltes Mützchen und ein weißes Kleid, das die Mutter mit großer Sorgfalt angefertigt hatte. Gegen Wind und Wetter schützte das große schwarze, mit Blumen durchwirkte Umschlagtuch. Am Tauftage fanden sich die Nachbarinnen um 10 Uhr im Geburtshause ein. Sie brachten der Wöchnerin je 1 Dutzend Eier und 1 Pfund verzierte Butte mit. An dem Kirchgang beteiligten sich außer den Taufpaten und der Hebamme auch die nächsten Nachbarinnen. Die Taufe war um 11 1/2 Uhr. Nach der kirchlichen Feier gab es Kaffee in der Wirtschaft, in welcher der "Pette" häufig verkehrte. Bei Brot und "Beschüten" drehte sich hier zumeist das Gespräch um das kleine Kind, das nun ganz friedlich auf zwei Stühlen in weichen Kissen schlummerte. Damit es die fröhliche Gesellschaft nicht störte, gab man ihm ein mit Annistropfen getränktes Zuckerpüppchen. Die Kindtaufsgäste aber stärkten sich mit ein paar "Klooren und Geuten". Das gab den Taufpaten oft eine teure Visite. Hinzu kamen noch die Ausgaben für die Einkäufe "im Winkel". Beide Taufpaten mußten gleichviel kaufen, wie 2 Pfund Kaffee, 2 Pfund Hutzucker und eine "Tüte Zuckerbeschüte und Plaskes". die Sachen wurden in den "Armskuorf" oder in ein großes buntes Taschentuch gepackt. die Taufpaten bestellten und bezahlten auch jetzt schon den Kaffee, der am Tage der Einsegnung hier getrunken wurde. Der Heimweg war oft recht lang. Alle Wirtschaften oder sogenannten Stationen mußten dann mitgenommen werden. Daß dabei oft tolle Streiche passierten gibt nicht Wunder. Da soll das Kind verloren gegangen sein, hier war der kleine Schreier früher zurück als die Erwachsenen, und dort soll die ganze Gesellschaft erst um 5 Uhr nachmittags heimgekehrt sein. Wie spät es auch immer sein mochte, die Köchin begrüßte die Gäste immer liebevoll mit dem Spruch "De gitt willkommen sind!" Dabei bot sie den Zuckerschnaps im Bierglase an. Jede Person bekam davon einen Eßlöffel mit einem Stückchen Zucker. Dann setzte man sich zum herrlichen Kindtaufessen nieder. Die Köchin trug Suppe, Sauerkraut mit Bohnen, Schinken, Mettwurst, Reis, Pflaumen und "Braobern mit Wosse" auf. Während des Essens stellte die "Wiefenmoi" den Täufling vor. Er wanderte von Arm zu Arm, und jeder durfte gegen Zahlung eines Trinkgeldes von 25 Pf "Dat Kind fäuhlen". Alsdann hielt man einen kleinen "Küer" bei der Frau, bis der Kaffee mit dem "Plaß" aufgetragen wurde. Es war allgemein üblich, daß die Kindtaufgäste den Daheimgebliebenen ein Stück Hutzucker von der Feier mitbrachten. War die Wöchnerin "uowerren", d. h. konnte sie wieder aufstehen, dann kam die Nachfeier oder die "Kraomvisite". Zu diesem Fest wurden die Nachbarn, Verwandte und Taufpaten geladen. Letztere mußten jetzt den "Pettenstuten" schenken. Nach 3-4 Wochen hielt die Mutter ihren ersten Kirchgang. Vorher durfte sie den Hofraum nicht verlassen. Die Hebamme begleitete sie zur Kirche. Nach dem bereits erwähnten Kaffee wurde die Hebamme entlohnt. Der Bauer mußte 5-6 Mark, der kleine Kötter 3 Mark zahlen. Die Taufpaten blieben nun in enger Fühlung mit dem Patenkind. Nach acht Wochen schenkte die "Gole" das erste Kleidchen und der "Pette" nach drei Jahren die erste Buchse. Zu Nikolaus stellte das Patenkind den Teller beim Paten auf, und Kirmes hatte es Anspruch auf ein Kirmesgeld. Am Tage der ersten hl. Kommunion schenkte der Taufpate dem Mädchen ein Kreuz und dem Knaben ein Gebetbuch. Das letzte Geschenk machten die Taufpaten zur Hochzeit, wenn sie für 6 Taler den großen "Plaß" backen ließen. Zuweilen aber erlebten die Paten nicht diese Tage. Der Tod holte das junge Menschenkind fort. Dann waren wiederum die Paten zur Stelle und schmückten nun mit einem Krönchen das Engelchen im Totenschrein. |
Grafe. |
aus: Gladbecker Blätter 1927, Seite 90/91
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