Die Redensart "Sterben ess ten Aberglauben" erinnerte unsere Ahnen
immer wieder an die Stunde, die mit "tödlicher" Sicherheit kommt. Man
glaubte, aus gewissen Erscheinungen in der Natur und im Leben Vorboten des
Todes zu erkennen. Zeigte sich eine gelbe Bohne im Garten, blühte die
Kirsche zweimal im Jahr oder wühlte der Maulwurf einen großen Haufen in der
Nähe des Hauses auf, dann gab es bestimmt eine Leiche in der Nachbarschaft.
Aengstliche Seelen hörten auch wohl auf das Ticken der Totenuhr. Der Kranke
lauschte auf den Ruf der Eule und auf das Heulen des Hundes und war besorgt,
ob der Totenvogel mit seinem Ruf mit ihn Fortrufen würde. Hatte die letzte
Leiche an einem Sonntag über Erden gestanden, dann zog sie sehr schnell
einen "großen Toten" nach sich.
Wenn nun ein Todesfall eingetreten war, so mußte der nächste Nachbar die
Nachbarschaft zum "Utlieken" bestellen. Ohne den Tagesgruß zu bieten,
betraten dann die Nachbarn das Sterbehaus. Jeder mußte zuerst kniend drei
Vaterunser für den Verstorbenen beten. Alle anwesenden Nachbarn beteten dann
jedesmal mit. Die nächsten Nachbarn kleideten den Toten aus und zogen ihm
das Sterbehemd an, das ja stets im Koffer fertig lag. Dann bereiteten sie
das Strohlager. Man zündete geweihte Krezen an und hielt Nachtwache bei der
Leiche. Waknaobers. Nachdem nun die Nachbarn die Beerdigung in allen Einzelheiten
durchgesprochen und geregelt hatten, brachten sie die Trauerbotschaft von
Haus zu Haus. Sie mußten den "Doden been". Die einzelnen Bestellbezirke
wurden durch Zettel ausgelost. Der nächste Nachbar meldete den Todesfall auf
dem Standesamt an. Er ging auch zum Pfarrer und bestellte die Beerdigung und
das Seelenamt. Zwei Nachbarn erhielten ihr Amt als Läuteküster. Am Tage vor
dem Begräbnis und am Begräbnistage selbst mußten sie die Totenglocke läuten.
Die Laternenträger, Leichenkutscher und Sargträger wurden auch aus der Reihe
der Nachbarn gewählt.
Bei Todesfällen von Kindern, Jünglingen und Jungfrauen kamen die jungen
Leute der Nachbarschaft am Vorabend des Begräbnistages im Sterbehaus
zusammen, um die "Like frisch te maken", d. h. um zu kränzen und Bildchen in
den Sarg zu legen. Beim Winden des Kranzes stärkte man sich durch manchen
Gläschen "Leichenbitter". Zuweilen kam dann trotz der Trauer eine heitere
Stimmung auf. Wenn aber dann nach der "Frischmachung" der nächste Nachbar
mit erhobenen Händen an der Leiche betete, dann kehrte die echte Trauer
wieder zurück. Die Sitte des Frischmachens artete häufig zur Unsitte aus.
Sie wurde daher vom Pfarrer verboten.
Am Vorabend des Begräbnisses wurde die Leiche im besten Zimmer, an "der
großen Tür" oder aber auf der Tenne aufgebahrt. Vor dem Verschließen des
Sarges mußte der nächste Nachbar fünf Vaterunser mit erhobenen Händen beten.
Der Sarg, auch "Kiesfatt" genannt, wurde dann auf den Leiterwagen gestellt.
Man legte ein paar Strohbünden unter den Sarg, damit die Sargfüße nicht
abbrachen. Vorn auf den Wagen setzten sich die Frauen, angetan mit langen "Reenkledern".
Um den Kopf trugen sie das dreieckige schwarze "Reendauk". Zwei bis vier
Pferde zogen den Wagen. Sie wurden hintereinander eingespannt. Man hielt
einen bestimmten Weg, den sogenannten "Likweg" ein. Dem Wagen folgten beim
Tode eines Mannes zuerst die Männer und dann die Frauen. Zum anderen Falle
war es umgekehrt. Die Leiche wurde am Hause oder an der Kirche eingesegnet.
Nach der Beerdigung gab es im Hause des Verstorbenen Kaffee mit "Beschüte".
Es wurde auch ein Schnäpschen getrunken. Sprach man dem Alkohol übermäßig
zu, dann nannte man das: "Fell versupen". Die Mittagsmahlzeit hieß auch wohl
"de bedräuwte Mohltid".
Man war kein Freund von reichen Kranzspenden und großen Denkmälern. Doch
gedachte man der Toten stets im täglichen Gebet und im hl. Meßopfer.
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