Etwas aus einer interessanten Familiengeschichte
Von Theo Täpper, Kirchhellen (entnommen aus: Vestischer Kalender 1981, Seite 142f)
Wir danken Klaus Lehrich für die alte Aufnahme |
Ein Denkmal dem letzten "echten" Bauern westfälischer Prägung! Doch wem soll im heimischen Bereich dieser Ehrentitel zuteil werden? Ich meine: Für Kirchhellen zweifellos Josef Heimath (68) aus Grafenwald, Alter Postweg, der landläufig "Joe" oder "Heimath-Olf" genannt wird. "Joe" scheint auch früher in Kirchhellen schon eine geläufige Kurzform für "Josef" gewesen zu sein: "Olf" ist die Abkürzung für den Vornamen Adolf seines Urgroßvaters (1813). Würde Josef Heimath seinen Familiennamen ohne "h" schreiben, wäre eine Lebensbeschreibung über ihn eigentlich mit dem Wort "Heimat" ausreichend; denn alles, was man mit dem Wort in Verbindung bringt, was man darunter versteht, vereinigt sich in oder an Josef Heimath. Deshalb ist eine kurze Beschreibung seiner Familiengeschichte meines Erachtens wichtig.
In Kirchhellen ist die Geschichte der Bauernhöfe fast vollständig erfasst und schriftlich festgehalten worden. Zu dem kleinen Rest Zweifel oder Unkenntnis gehört auch die Sippe Heimath aus Grafenwald. Noch in Sichtweite des Hofes Josef Heimath liegt der 232 Morgen große Bauernhof Wilhelm Große-Holtfort, Schäferweg. Seit Jahrhunderten bis 1914 gehörte dieses Gut der Familie Heimath. Es war zwar ein Hoferbe vorhanden, der jedoch nicht berücksichtigt wurde. An seine Stelle übernahm Wilhelm Große-Holtfort aus Bottrop, dessen Mutter eine geborene Heimath von diesem Hof war, den stattlichen Betrieb. Diese Familie Heimath hatte den Beinamen "genannt Deffte", was damit zusammenhängt, dass der in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Bauernhof Bernhard Wieschermann vor vielen Jahres "Mutterhaus" für dieses Gut gewesen sein kann - oder ist. Warum? Bevor Bernhard Wieschermann diesen Hof kaufte, gehörte er einer Familie Deffte, auch "Zensen" oder "Sensen zu Deffte" genannt. Und jetzt wird es interessant; denn die frühesten schriftlichen Zeugnisse aus dem Bereich Grafenwald hängen mit der Errichtung eines Zisterzienerinnenklosters bei Deffte (eben diesem Hof Wieschermann) um 1240 zusammen. Nach der Chronik Kamp soll dieses Kloster 1248 gebaut worden sein, es wurde aber bereits 1264 nach Sterkrade verlegt.
Ein wichtiger Zeuge dafür, dass vorgenanntes Kloster in Grafenwald bestanden hat, ist die mündliche Überlieferung. Noch heute spricht man in Kirchhellen vom Zensen-Kloster oder vom Kloster Zens. Vermutlich ist Zens der volkstümliche Ausdruck für Zisterzienser. Diese Form ist sogar in einem Falle an die Stelle des Familien- und Flurnamens Deffte getreten, und war bei den Abkömmlingen, die heute unter dem Namen Sensen in Königshardt wohnen (Jans Tottmann). Zum Hof Deffte gehörten früher große Ländereien und Waldungen in Grafenwald, unter anderem der Schlehdorn oder Kirchenbusch.
Möglich
ist nun, dass im Mittelalter der Hof Heimath (jetzt Große-Holtfort) vom Hof
Deffte abgetrennt wurden, der Hof des Josef Heimath wiederum von diesem
durch Teilung oder sonstwie im 17./18. Jahrhundert eine selbstständige
Einheit wurde. Fest steht, dass der Urgroßvater Adolf Heimath 1813 ein
Fachwerkhaus mit Stallung für eine wesentlich kleinere Landwirtschaft als
jetzt errichtete; sein Sohn Theo ließ 1878 dieses Haus durch ein neues
ersetzten. Die Inschrift des Tennenbalkens lautet: Theo Heimath, JHS, 1878.
Theo Heimath war noch gezwungen, nebenberuflich als Bergmann zu arbeiten.
Insgesamt 20 von 32 Jahren ging er den weiten Weg nach Prosper II in Bottrop
in selbstgemachten Holschen.
Nun zurück zu Josef Heimath. Er brachte den Hof durch zähen Fleiß,
Sparsamkeit und Bescheidenheit auf die jetzige Größe von 44 Morgen. Es macht
ihm Spaß, mit seinem Pferd "Lotti" sämtliche Feldarbeiten zu erledigen, und
sei es - um sie zu schonen in der Hochsommerzeit sogar nachts!
Sieben Kühe melken er und seine Frau Maria noch mit der Hand. Weitgehend ohne
"modernen Komfort" ist der Haushalt. Radio und Fernsehen sind
selbstverständlich, aber sonst lebt das - leider kinderlos gebliebene
Ehepaar anspruchslos, aber glücklich. "Urlaub, den kennen wir nicht!" sagen
beide ohne jeden Groll oder Neid.
Ein harmonisches "Arbeitsgespann": Josef Heimath und sein Pferd "Lotti".
Josef Heimath betrachtet seine Umwelt sehr kritisch. Und er sagt, wie es sich für einen echt westfälischen Bauern auch gehört, immer und überall offen seine Meinung. Josef Heimath meint, dass der Existenzkampf der "kleinen Bauern" unnötig vom Staat hart gemacht werde. Eine leichte Verärgerung ist ihm dann anzumerken, wenn er auf den Wandel in der Landwirtschaft vom Bauern zum landwirtschaftlichen Unternehmer angesprochen wird. Er mag seine guten Gründe dafür haben, aber aufzuhalten ist diese Entwicklung nicht mehr. Wortkarg, vielleicht auch ein wenig verschlossen, meidet Josef Heimath gern lautes Treiben. Ihm sind seine Frau Maria, Haus und Hof und eine gutbestellte Landwirtschaft ein und alles. Das einzige, was er sich "gönnt", ist mittags eine kleine Schlafpause auf dem Sofa. Wer wie er täglich 15 bis 17 Stunden hart im Geschirr steht, hat sie auch redlich verdient.
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