10. Januar 1928: Im Burenbrauck

GrafenwaldIm Burenbrauck.
Von Johann Eggendorf, Vorstandsmitglied der Wassergenossenschaft "Burenbruch".

Kirchhellen, 9. Januar 1928.

In letzter Zeit ist an dieser Stelle viel von den Naturschönheiten der schwarzen Heide und des Rotbachtales die Rede gewesen.

Ich möchte nunmehr auf eine Schwestergegend der Gemeinde Kirchhellen aufmerksam machen, welche nicht minder herrlich an Naturschönheiten ist: "Das Burenbruch".

Dieses Gebiet ist noch ein Teil der Gemeinde Kirchhellen, welches unmittelbar durch den Geländezusammenhang an das Emscherbruch und Welheimermark stößt. Hier war es auch:

Es geht die Sage, dass seit undenklichen Zeiten der Wehrwolf (Wahrwulf) dort residierte und sein Unwesen treibe. Auch wo der "grote Jan" mit seinem zu Unrecht verschobenen Grenzsteinen unter dem Rufe: "woh sack em loaten" bis zur Erlösung unstet wandern musste; wo Füchse, Marder und Uelke (Iltis) sich gute Nacht sagten und auch der Schnepfenstrich hervorragend gewesen sein soll, wo der Hase auf den Hinterpfoten sitzend seine "Mätzchen" ungehindert machen konnte.

Woselbst noch bis vor hundert Jahren die wilden Pferde ihr freies Dasein fristeten. Das letzte von ihnen hat beim Kötter Werner Brinkert jetzt Eulering in Grafenwald in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts das sogenannte Gnadenbrot erhalten. Wo der Vogelsteller bis noch vor sechzig Jahren, unbehindert vom Naturschutz, seinen Vogelherd zum Fang von Krammetsvögeln herstellen konnte.

Doch auch hier: Das Alte fällt, es ändern sich die Zeiten. Der Dornröschenschlaf für diesen Teil sollte ein jähes Ende nehmen. Die Aufteilung der Kirchheller Markengemeinheit von mehreren tausend Morgen wurde in den Jahren 1822-1836 vollzogen. Darunter war auch der Teil Burgenbruch.

Die Aufteilung erfolgte unter Abzug von erforderlichen Wegeflächen in der Marken-Interessenten unter Beteiligung von Halb- und Ganzbauern. Auch die in Kirchhellen ansässige adlige Familie v. Wenge zu Brabeck erhielt einen guten Teil dieses Geländes. Sie hatte sich, wie es heißt, in früheren Zeiten durch Spenden von einigen Tonnen Bieres als mitberechtigt eingekauft.

Im Durchschnitt erhielt in diesem Gebiet ein Halbbauer 3 Morgen 2 Ruten, ein Ganzbauer das Doppelte. Auch sind in diesem Teile des Burenbruchs einige Interessenten entschädigt worden, welche bei den übrigen Markenteilungen zu kurz gekommen oder übergangen worden waren. In diesem Markengelände waren nur einige ansässige Eigentümer und Familien wohnhaft.

Durch die Aufteilung und Übergang an den einzelnen als Eigentum sind im Laufe der Jahre viele Verbesserungen an den Grundstücken erfolgt, namentlich in Wiesenanlagen.

Auch sind in den letzten 20-30 Jahren viele Arbeiter-Ansiedlungen entstanden, meisten im Eigentum der betreffenden Arbeiter.

Das Burenbruch, so gut der Boden von Natur auch sein mag, war ein nasses und sumpfiges Gelände, es fehlte die gehörige Vorflut. Selbst wenn im Sommer trockenes Wetter war, so stieg am Abend der feuchte Schwaden auf, so dass eine Nebelschicht das Tal bedeckte.

Wenn man so im Sommer aus der Heuarbeit kam und man sah den Nebel aufsteigen, sagte man: Oh, morgen wirds noch gutes Wetter, der Fuchs ist am Pfannekuchenbacken.

Im Herbst und Winter war jedoch die Sache anders, die sumpfige Feuchtigkeit des Bodens bildete Ortstein und infolge dessen Undurchlässigkeit versäuerte der Boden, die aufsteigenden Nebel waren feucht und schwer und so dicht, dass alles undurchdringlich war.

Dass diese feuchten schweren Schwaden für Mensch und Tier gesundheitsschädlich waren, liegt auf der Hand; nur wer dort geboren und mit dem Klima aufgewachsen war, konnte es ohne Schaden ertragen. Zugezogene litten darunter und wurden nicht so alt wie die Einheimischen. Dafür sind Beispiele vorhanden.

Diese Schäden konnten nur durch eine gründliche Entwässerung beseitigt werden. Sie wurde ermöglicht durch die Bildung der Emschergenossenschaft im Anfang dieses Jahrhunderts.

Zum Emscher-Regulierungsgebiet gehören von der Gemeinde Kirchhellen zirka 5000 Morgen, unter diesem auch das Burenbruchgelände.

Nach Fertigstellung der Emscherregulierung war unter andern auch die Boy bis zur Gladbeck-Bottroperstraße reguliert worden.

Zur Entwässerung des Burenbrucher Gebiets hatte sich nach mehrjährigen Vorarbeiten im Jahre 1923 die Wassergenossenschaft "Burenbruch" gebildet.

Das Genossenschaftsgebiet umfasst eine Größe von zirka 1100 Morgen, welches zur Hälfte auf den Stadtkreis Gladbeck entfällt, während die andere Hälfte auf Gebiet der Gemeinde Kirchhellen gelesen ist.

Um die nötige Vorflut zu schaffen, war erforderlich, dass die Boy von der vorher erwähnten Gladbeck-Bottroperstraße bis zur Hegestraße reguliert wurde.

Die Verhandlungen, welche dieserhalb mit der Emschergenossenschaft und den beteiligten Stadtgemeinden Gladbeck und Bottrop sowie dem Landkreis Recklinghausen geführt werden, brachten die Ausführung der Regulierung zum Beschluss.

Nunmehr konnte zur Regulierung des Mühlenbaches und überhaupt zur Inangriffnahme der Arbeiten des ganzen Gebietes geschritten werden.

Dass die Regulierung eines versumpften Gebiets viele und auch unvorhergesehene Arbeit und großen Aufwand erfordert, ist erklärlich, und so kam es auch, dass durch die Ungunst der Zeitverhältnisse während der Bauzeit - durch Erhöhung der Tarif und Arbeiterlöhne sowie Materialkosten - der Voranschlag ganz erheblich überschritten wurde.

Es ist ganz erklärlich, dass hierdurch viel Unzufriedenheit und Ärger entstanden ist und dass die einzelnen Raten, wenn die Ratenzahlungsaufforderung auf den Tisch flatterte, für die Landwirte schwer zu leisten waren.

Auch die vielen Arbeiterfamilien, welche im Gelände wohnen, wird dies fühlbar treffen.

Infolgedessen hat der Landkreis Recklinghausen in anerkennswerter Weise eingegriffen und hat außer den Staatszuschüssen, welche für das ganze Gebiet geleistet sind, für das im Landkreise belegene Kirchheller Gebiet zwei unverzinsliche Darlehen in Höhe von 20 000 M und letzthin noch 7000 M gegeben. Auch hat der Landkreis Recklinghausen für das Kirchhellen-Gladbecker Gebiet bis jetzt zirka 10 000 M für Projektaufstellung, techn. Ausführungsarbeiten usw. getragen. Wenn das Kirchhellener Gebiet seitens des Landkreises das Entgegenkommen gefunden hat, so muss es befremden, dass im Gladbecker Gebiet seitens des Stadtkreises, trotz mehrmaligen Herantretens durch die Ausführungsbehörde und sonstige Rücksprachen die Stadtverwaltung und Stadtverordneten sich nicht haben entschließen können, auch nur einiges Entgegenkommen zu zeigen.

Die Arbeiten sind doch gemacht worden, um das versumpfte Gebiet ertragsfähiger und wohnlicher zu machen.

Es sind auch nicht allein die Bauern, welche unter den hohen Beiträgen leiden, es sind auch namentlich auf Gladbecker Gebiet viele Arbeiterfamilien, die davon betroffen sind. Hoffentlich wird diese Anregung den erwünschten Erfolg zeitigen. Geschähe das nicht, so würde es doch manchen nachdenklich stimmen bezüglich der Frage: Was hat eine Landgemeinde zu erwarten, wenn sie einem Industriestadtkreise angeschlossen würde?

Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass die Entwässerung im ersten Jahres nach ihrer Fertigstellung ihre Wirkung schon gezeigt hat und für die Anwohner in gesundheitlicher Beziehung sehr von Nutzen ist.

Von der finanziellen Seite gesehen, sind die Grundeigentümer gleichsam nur Pächter und noch nicht einem Pächter der Grundstücke, aber wir sollen hoffen, dass die Zeiten sich ändern. Der Allgemeinheit ist jedenfalls ein großer Dienst erwiesen.

Nebenbei möchte ich bemerken, als Naturfreund kann ich meinen Freunden die Versicherung mit auf den Weg geben, dass dem Naturschutz keine Beeinträchtigung geschehen ist. In der Kirchhellener Gebiet, welches noch zum großen Teil unbewohnt ist, kann noch Fuchs und Uhu sein Wesen treiben. Auch Hölzer und Sträucher sind genügend vorhanden; wenn auch einige durch die frühere Versumpfung hervorgetretene Pflanzen untergegangen sind, so muss man doch sagen, wir leben alle nicht von der Natur als solcher, sondern von dem Ertrage, welchen die Natur uns aus dem Boden beschert.


Der Artikel erschien am 10.1.1928 in der Gladbecker Zeitung und befindet sich als Kopie im Archiv des Vereins für Orts- und Heimatkunde Kirchhellen.


letzte Änderung: 18.12.2011 Impressum - Datenschutz