Die WAZ berichtet am 30. November 2002:
"Grafenwälder Bürger erstreiten Wegerecht nach Kirchhellen!" So hätte ein Zeitungsbericht am 23. November 1880 überschrieben werden können. Ein Artikel über ein ungewöhnliches Gerichtsverfahren. Dem Prozess auf die Spur gekommen sind Helene Lammerding und Heinrich Ladzinski, Grafenwalds unermüdliche Heimatforscher.
Beim Recherchen zur Historie "Holthausens", so der ursprüngliche Name Grafenwalds, stieß das Forscherduo jüngst auf ein altes Gerichts-Dokument. Bernard Stratmann, wohnhaft Im Spring, hatte Heinrich Ladzinski auf ein paar Akten hingewiesen, die seiner Familie mehr als ein Jahrhundert in einer alten Truhe gehütet hatte.
In krakeliger Sütterlin-Schrift ausgeführt und von Helene Lammerding übersetzt, erzählen sie die Geschichte eines Rechtsstreites um das "Wegerecht" von Grafenwald nach Kirchhellen. Angestrebt hatte ihn die Familie Klüsener vom gleichnamigen - mittlerweile abgebrannten - Hof am Alten Postweg. Gemeinsam mit dem Urgroßvater von Bernard Stratmann klagten sie im Herbst 1880 gegen niemand geringeren als den Herzog Prosper von Arenberg zu Brühsel.
Mächtiger Großgrundbesitzer, gehörten ihm damals große Flächen auf Holthausener Gebiet. Herzog Prosper von Arenberg hatte Bestimmtes damit im Auge: Kohle. Zur Geburtsstunde des regionalen Bergbaus war so ein Flächenbesitz durchaus Gewinn versprechend.
Die einfachen und strenggläubigen Bauern und Kötter Holthausens hatten hingegen ganz andere Probleme: unter anderem rechtzeitig zur Kirche im Dorfe Kirchhellen zu kommen. Ein eigenes Gotteshaus konnte sich Grafenwald erst im Jahre 1899 leisten. Auch der Schulweg der Holthausener Kinder führte lange nach Kirchhellen, ebenso - nur in umgekehrter Richtung - der Gang vieler Tagelöhner von Kirchhellen über Holthausen nach Sterkrade zur Fabrik. Und dazu nutzte man einen alten Weg, nicht mehr als ein Trampelpfad, kaum vier Fuß breit. Und der, man kann es sich nun denken, auch streckenweise über des Herzogs Ländereien führte.
Hatte er viele Jahre den Kirchweg der Bauern stillschweigend geduldet, so änderte sich dies um 1880. Höferer Bernard Stratmann muss sich dereinst vor versperrtem Wege wiedergefunden haben. "Pfähle und ein aufgeschütteter Wall", so die alten Schriften, blockierten seinen Gang. Wie ihm erging es auch den Klüseners, an deren Grundstück nahe der Grenze zu Oberhausen, der Kirchweg seinen Ursprung nahm.
Die plötzlichen Barrikaden des Herzogs brachte die betroffenen Holthausener auf dieselben. Unter der Federführung Bernard Stratmanns beschritt man einen neuen Weg - über das Königliche Landgericht zu Münster. Mit vielen Zeugen, die beurkundeten, den Pfade über Jahrzehnte benutzt zu haben, plädierten sie auf Gewohnheitsrecht. Und bekamen Recht. "Für damals äußerst ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass hier kleine Leute sich gegen einen Herzog wehrten", findet Heinrich Ladzinski.
Heute, im Autozeitalter, spielt der alte Weg natürlich keine Rolle mehr. Dennoch kann man auf seinen Spuren wandeln. die beiden Heimatforscher haben anhand von alten Karten und mündlichen Überlieferungen den Verlauf rekonstruiert.
Er führte vom heutigen Angelteich, dort stand das Gehöft Klüsener, über den Hof Stratmann zu Fockenberg (Im Acker), vorbei an Hülskemper, über den Dännenkamp bis hinter Deffte. Durch den damligen Kirchenbusch zur Lehmschlenke und über weitere Verbindungen vorbei an Kreuz Giese, über die Utschlagstraße bis zu seinem Endpunkt, der nicht mehr bestehenden Gaststätte Schulte-Wieschen an der Bottroper Straße.
Der Zeitungsartikel wurde von Familie Knipping zur Verfügung gestellt.
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