Karl Wessels: "Der Naturdenkmalspflege erstes Jahr"

Der Naturdenkmalspflege erstes Jahr.
Karl Wessels, Kirchhellen.

I. Allgemeines.

Selbstverständlich ist die Naturdenkmalspflege älter als ein Jahr. Sie ist so alt wie die Natur selbst, so alt wie das Menschengeschlecht. In alten Zeiten, als die Abhängigkeit des Menschen von der Natur noch augenfällig war, galt die Natur ganz allgemein als die gebende Mutter. Als solche fand sie Anerkennung und liebevolle Ehrung. Damals wurde das Wort vom Heiligtum des deutschen Waldes geprägt, und man dachte sich nichts heidnisches dabei. Mittlerweile hat sich - wenigstens in unserer engen Heimat - das Verhältnis zwischen Menschheit und Natur von Grund auf geändert. Wo früher 50 Bauernhöfe standen, drängen sich heute Tausende und Abertausende von Menschen. Das sind Menschen, die nicht wissen dass ihr tägliches Brot im Schoße der von Gott gesegneten Natur geworden ist. Menschen, die mit der Kenntnis von der Natur auch das Verständnis für die Natur verloren haben, Menschen, die im Zeitalter der Maschinen von der Pionierarbeit eines Regenwurms keine Ahnung haben und von der Daseinsberechtigung eines Marders im Haushalte der Natur nichts wissen. In dieser Zeit führt die Natur einen verzweifelten Abwehrkampf gegen Menschen und Maschinen. Wohl gilt auch heute noch das Wort "Die Natur hilft sich selbst," aber schaurig wird es sein, wenn die Selbsthilfe Erfüllung wird. Helfen wir darum jetzt schon der Natur in ihrem Kampfe um die Erhaltung, ihr zu liebe, uns zum Heile!

Einsichtige Männer schufen deshalb die Organisation der Naturdenkmalspflege. Von Essen aus verbreitete sie sich über das ganze Ruhrkohlenland. Ihr gesunder Gedanke weckte auch in Kirchhellen Begeisterung. Kein Wunder, haben wir doch in Kirchhellen eine Landschaft, von der man sagen kann: Hier gibt es noch etwas zu schützen, hier brauchen wir uns nicht mit grauer Theorie herumzuschlagen - eben erst ist die Natur wieder frühlingsgrün geworden. Also der grünenden Natur sollen praktische Schutzmaßnahmen zu Hilfe kommen.

II. Geschäftsbericht.

Aus vorstehenden Erwägungen heraus wurde am 11. Juni 1925 das Arbeitsamt für Naturdenkmalspflege gegründet. Die Gründungsversammlung fand im Verein für Orts- und Heimatkunde statt. Lehrer Wessels hielt ein Referat über Naturschutzfragen. Er beschäftigte sich mit dem Naturschutz im allgemeinen, dann mit dem Grünflächenverzeichnis und dem Baumschutzgesetz, insbesondere aber mit den Forderungen des Naturschutzes für das Amt Kirchhellen. Die organisatorischen Fragen wurden auch in der Aussprache klärend weiter verfolgt. Dabei handelte es sich um folgende Punkte:

1. Gründen wir ein selbständiges Arbeitsamt frei von jeder Bindung, oder ein solches in Anlehnung an den Verein für Orts- und Heimatkunde?
2. Welcher Kreisstelle schließen wir uns an?

Zu 1: Der Vorsitzende des Vereins für Orts- und Heimatkunde, Amtmann Apffelstaedt, sprach für einen engen Zusammenschluss der beiden verwandten Einrichtungen unter einem gemeinsamen Vorstande. Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. Um die Wichtigkeit und Selbständigkeit der Naturdenkmalspflege anzuerkennen, wählte man dem Arbeitsamt einen besonderen Geschäftsführer: Im Laufe des ersten Geschäftsjahres hat sich die Vereinigung der beiden Einrichtungen als fruchtbringend erwiesen. Man hat eine gefährliche Zersplitterung vermieden und der Vereinsmeierei keinerlei Vorschub geleistet; denn die Sitzungen finden allmonatlich gemeinsam statt. Der Gedanke des Zusammenschlusses ist auch bereits in den größeren Verbänden verwirklicht worden.

Man hat beschlossen, die Generalversammlungen der Bezirksstelle für Naturdenkmalspflege im Gebiete des Ruhrsiedlungsverbandes und der Interessengemeinschaft für Heimatschutz in Zukunft an ein und demselben Ort stattfinden zu lassen.

Zu 2. Die Frage "Welcher Kreisstelle schließen wir uns an?" fand ihre Lösung in der augenblicklichen Gliederung der staatlichen Naturdenkmalspflege vorgezeichnet. Die Gliederung ist folgende: Staatliche Stelle für N. in Preußen, Bezirksstellen in den Provinzen bzw. Reg.-Bezirken und Kreisstellen in Stadt- und Landkreisen. Wir konnten uns also nur der zuständigen Kreisstellen anschließen; das war in diesem Falle die im Entstehen begriffene Landkreisstelle für N. in Recklinghausen. Indem wir diese gerade Linie stets betonten und verfolgten, haben wir hoffentlich der Organisation der Naturdenkmalpflege im Landkreis Recklinghausen einen kleinen Dienst erwiesen. Beweis dafür ist übrigens auch der Schriftwechsel in dieser Angelegenheit, die durch die Hand des ersten Vorsitzenden ging.

In der Sitzung am 6.11.1925 wurde endgültig der Vorstand gewählt: 1. Vorsitzender Amtmann Apffelstaedt, 2. Vorsitzender Dr. Hülsken, Geschäftsführer Lehrer Wessels, Kassenführer Rendant Liesenklas. Außerdem wurde zwölf Beisitzer und verschiedene Vertrauensleute aus allen Ständen und Ortsteilen der Gemeinde gewählt. Der eben genannte Vorstand ist, bis auf den Geschäftsführer, zugleich Vorstand des Vereins für Orts- und Heimatkunde.

Am 20. Jan. d. J. berichtete der 1. Vorsitzende über die Verhandlungen mit dem Landratsamt betreffend Bildung einer Kreisstelle im Landkreis Recklinghausen. In derselben Versammlung sprach der Geschäftsführer über dringende Naturschutzfragen in der Gemeinde Kirchhellen. Die Verkoppelung hat den Singvögeln manche Nistgelegenheit genommen, dafür sollen Berlepsch'sche Nisthöhlen angefordert werden. Das Arbeitsamt hat den Kauf von 50 Nisthöhlen vermittelt, darunter sind auch eine Höhlen für Grau- und Grünspechte, für Schwarzspechte und Hohltauben, die in den Waldungen von Haus Beck hängen.

Der Ruhrsiedlungsverband ließ im Laufe des Geschäftsjahres Feuerwachtürme in der Schwarzen Heide und am alten Postweg in der Nähe der Grafenmühle errichten. Der Dritte im Bunde steht jenseits der Grenze auf rheinischem Gebiet. Mögen sie "eiserne" Wacht halten und jede Brandgefahr rechtzeitig melden!

Der Geschäftsführer nahm am 13. und 14. Juni 1925 an der Hauptversammlung in Buer und am 30. Juni 1925, am 12. Januar und am 9. März 1926 an den Sitzungen der Bezirksstelle in Essen teil. Die Bezirksstelle, das darf ich hier wohl einschalten, erwartet mit großer Spannung den von ihr geforderten Schutz des Kletterpoths. Hoffentlich werden die letzten Schwierigkeiten bald weggeräumt sein. Dann wird die Polizeiverordnung nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Am 19. Februar besichtigte der Geschäftsführer in Begleitung von Herrn Grewer die sog. Vogelinsel am oberen Lauf des Schölsbaches zwischen der Dringenburg und der Eisenbahn Kirchhellen - Dorsten. D.h. die Insel ist noch kein Vogelschutzgehölz, soll aber ein solches werden. Das Gelände dafür ist sehr günstig.

Am 28. Februar besichtigte der Geschäftsführer der Bezirksstelle in Essen, Kommissar Lüstner, das zu schützende Gelände am Kletterpoth. An der Begehung nahmen vom hiesigen Arbeitsamt Amtmann Apffelstaedt und Lehrer Wessels teil. Im Anschluss daran hielt der Kommissar den bei Dieckmann versammelten Mitgliedern des Arbeitsamtes einen Lichtbildvortrag über Naturdenkmalpflege. Naturdenkmäler der Zoologie, der Botanik und der Geologie zogen im Bilde an unseren Augen vorüber. Den zweiten Teil des Vortrags füllten organisatorische Fragen aus.

Verschiedene Mitglieder des Arbeitsamtes besuchten am 26. Februar Feldhausen, um den Schaden zu sehen, den Wegebau und Zusammenlegung angerichtet haben sollten. Es ist wahr, jahrelange Verkoppelungsarbeit hat überall der Natur Gewalt angetan, aber was hilft alles Streiten, wenn die Aufbauarbeit an Hecken und Zäunen nicht sofort in Angriff genommen wird.

Im Monat März ließ das Arbeitsamt eine Anzahl Exemplare der "Bitte an unsere Jugend" verteilen.

Das Arbeitsamt empfing 4 Ausweiskarten und reichte sie weiter.

In den Osterferien besichtigte der Geschäftsführer die Naturschutzausstellung im Zoologischen Museum zu Münster. Die Ausstellung zeigte eine Fülle von Literatur und reiches Bildmaterial aus der Naturdenkmalspflege. Die westfälischen Naturdenkmäler waren besonders berücksichtigt worden.

Zu erwähnen ist noch, dass der Geschäftsführer des Kirchhellener Arbeitsamtes am 27. November 1925 zum Pfleger für kulturgeschichtliche und naturgeschichtliche Bodenaltertümer ernannt und am 17. März 1926 als Mitglied in den Arbeitsausschuss der Interessengemeinschaft für Heimatschutz gewählt worden ist.

Rückblickend auf das erste Geschäftsjahr lässt sich ein gewisser Anfangserfolg nicht leugnen. Den Mitarbeitern sei reicher Dank gesagt. Der Erfolg aber ermuntert zu neuer Arbeit zum Schutze der Heimat, insbesondere aber zum Schutze der heimischen Natur.


Der Artikel von Karl Wessels erschien 1926 in den Gladbecker Blättern, Seite 46-47


letzte Änderung: 21.05.2009 Impressum - Datenschutz