1872: Antrag zum Bau einer Schule in Grafenwald

Am 6. Oktober 1870 schreibt die Regierung dem Schulinspektor Pfarrer Michalides in Osterfeld:

"Die Gesamtzahl der Schulkinder in Kirchhellen im Betrage von 355 von denen allein 135 auf die Knabenklasse entfallen, macht dort die Einrichtung einer 4. Schulklasse durch Trennung der Vorschule nach Geschlechtern notwendig. Wir haben den Herrn Landrat heute mit der Einleitung der erforderlichen Verhandlungen beauftragt. Die Vorbereitungen sind so zu treffen, dass unmittelbar nach dem Wiedereintritt des Friedens die Herrichtung des Schullokals in Angriff genommen werden kann."

Der Schulvorstand befasst sich in seiner Sitzung vom 30.1.1871 mit dieser Verfügung der Regierung. Er kommt zu der Überzeugung, dass ein Bedürfnis noch nicht vorliege und erklärt:

"Die größte Schülerzahl ist in der Oberklasse vorhanden und gerade in dieser ist eine große Schülerzahl weniger dem Unterricht hinderlich. Erfahrungsgemäß regt eine große Anzahl Kinder das einzelne Kind mehr zum Fleiße an, es lässt sich bei diesen viel erlangen durch Herauf- und Heruntersetzen, der Unterricht lässt sich für viele Kinder in der Oberklasse ebenso leicht erteilen, wie für wenige. Die Einrichtung einer 4. Schulklasse ist daher z. Zt. noch nicht geboten."

Die Regierung erwiderte aber, dass es auch in der Oberklasse mit Bezug auf die Zahl der Schüler bestimmte Grenzen gebe. Jedenfalls sei 100 die äußerst zulässige Grenze. Höheren Orts habe man bereits in einem Falle die Einrichtung einer vierten Klasse verfügt, wo die Zahl 50 weniger betragen habe als in Kirchhellen.

Zur Begründung der vierten Schulklasse berichtet der Lehrer Scholven unterm 3.2.1871 an die Regierung, dass mit Genehmigung des verstorbenen Pfarrers Feldmann die Kinder der Bauerschaft erst mit vollendetem 7. Lebensjahre zum Schulbesuch angehalten worden seien; wenn das jetzt zu Ostern geändert würde, dann würde die Unterklasse im Sommerkursus 1871 78 Knaben und 71 Mädchen, also 149 Kinder zählen.

Die Vorstellung der Regierung brachten den Schulvorstand so weit, dass er sich am 5. April 1871 mit der Errichtung einer 4. Klasse einverstanden erklärte. Da es an einem Bauplatz fehlte, sollten Knaben- und Vorschule abgebrochen und ein neues Haus an der Straße errichtet werden mit 3 Klassen und Wohnungen. Die Mädchenklasse und die Lehrerinnenwohnung, die erst 1857 erbaut waren, sollten stehen bleiben. Der dazwischen liegende Platz sollte als Spielplatz Verwendung finden. Zum Bau kam es jedoch nicht.

Die Schulvorstandssitzung am 11.4.1872 berät über den Ankauf eines Baugrundstückes in Größe von einem Morgen, das der Kirchengemeinde gehörte.

Da stellen die Gemeindevertreter Franz May aus Holthausen und der Gemeindevertreter Schenke sowie der Schulrepräsentant Rothelle aus Ekel die Anträge, in Holthausen und Ekel Nebenschulen zu errichten.

Herr May vertritt den Standpunkt, dass es wünschenswerter ist, da neu zu erbauende Schullokal in Holthausen zu errichten. In seiner Begründung sagte er, dass in der Bauerschaft Holthausen, zu welcher auch der sogenannte Wald gehört, mindestens 80 Familien mit mehr als 80 schulpflichtigen Kindern wohnen, welche sämtlich mehr als 1/2 Stunde weit vom Dorf entfernt wohnen; die Entfernung der Mehrzahl beträgt fast eine Stunde, die entlegensten wären 1 1/2 Stunde entfernt. Die Landwege seien so schlecht, dass im Winter und bei schlechter Witterung von einem regelmäßigem Schulbesuch nicht die Rede sein könne und dass man für die Gesundheit der Kinder größte Besorgnis hegen müsste. Auch würden die Bohrungen nach Kohlen, die z. Zt. stattfänden, die Zahl der Siedlungen bedeutend vermehren. - Als Bauplatz schlägt er ein Grundstück an der Chaussee in der Nähe von Otte vor und bittet den Landrat, das Gesuch bei den Kirchhellener Schulrepräsentanten zu überstützen.

Ähnlich begründen Schenke und Nothelle ihre Eingabe um Erbauung einer Nebenschule in Ekel.

Der Amtmann Geißler sagt in seiner Stellungnahme, dass sich der Bau der beantragten Bauerschaftsschulen nicht empfehle. Die Bauerschaft Holthausen eigne sich nicht zur Errichtung einer Nebenschule, da die Eingesessenen durchgehends so verstreut wohnen, dass nur wenige Eingesessene Nutzen davon haben würden. Die durch die 2 Nebenschulen erreichten Vorteile ständen in keinem Verhältnis zu den Opfern, die dafür gebracht werden müssten.

Mit den Gesuchen beschäftigten sich der Schulvorstand in seiner Sitzung vom 31.5.1872 und die Schulrepräsentanten in der Sitzung vom 18.7.1872. Beide Körperschaften lehnen die Anträge einstimmig ab. Sie bestreiten die Richtigkeit der in den Gesuchen angegebenen Gründe. Sie wollen nicht eine "Zersplitterung der Kräfte", sondern sie wollen "eine Dorfschule".

Der Auffassung der Schulkörperschaften pflichtete auch die Regierung bei, indem sie dem Landrat schrieb, dass der Errichtung der Bauerschaftsschulen nicht näher zu treten sei.

Die Antragsteller May und Schenke erneuern darauf ihren Antrag beim Oberpräsidenten mit dem Erfolg, dass die ganze Angelegenheit nochmals verhandelt wird, da der Oberpräsident der Ansicht ist, dass Entfernungen wie hier angegeben die Regelmäßigkeit des Unterrichtes geradezu ausschließen.

Auf Veranlassung des Landrats wird nun noch einmal in eine gründliche Erörterung eingetreten. Von den Antragstellern sollen in einer Übersichtskarte die voraussichtlichen Schulplätze und Grenzen der Schulbezirke näher angegeben werden.

Der Gemeindeverordnete May gibt folgende Erklärung ab:

"Als Schulplatz für die Bauerschaftsschule in Holthausen halte ich die sogenannte Defften Ziegelei am passendsten, woselbst auch einige Morgen Grund zu haben sind. Als Grenze der Holthausener Schule bezeichne ich den Weg, welcher von der sogenannten Sträterei an der Düsseldorfer Grenze auf Janknecht und von da in ziemlich gerader Linie auf die Dorsten-Oberhausener Chaussee bei dem Wirt Heinrich Jandewerth führt, dann die Verlängerung dieses Weges bis auf den Weg, welcher in der Hohen Heide vom Hollbeck auf Weiß führt, dann dieser Weg bis unterhalb Scheidgen, dann den Weg welcher von Scheidgen auf den Brabecker Mühlenteich bis zur Gladbecker Gemeindegrenze führt. Der Schulbezirk der Holthauser Bauerschaftsschule soll mithin den Theil der Gemeinde Kirchhellen umfassen, welcher südlich von bemerkter Linie liegt."

Schließlich gaben beide Gesuchsteller übereinstimmend an, dass es nicht ihre Absicht sei, durch die beabsichtigten Bauerschaftschulen neue Schulbezirke zu gründen, sie wollen vielmehr nach wir vor zum Schulbezirk Kirchhellen gehören und dahin zu den Schullasten beitragen, wie wollen nur gleichsam Filialen der Kirchhellener Schule errichten, wofür die Kosten aus der Kasse des Kirchhellener Schulbezirks, das heißt aus gemeinsamen Mitteln getragen würden.

Landrat Freiherr von Reitzenstein gab diese Vorschläge weiter und berichtete am 23.1.1873 an die Regierung:

"Bei der Entscheidung können nicht nebensächlich Rücksichten maßgebend sein, sondern die Erfahrungen, welche die Schulmänner darüber gemacht haben, ob nahe gelegene einklassige gemischte Schulen oder mehrklassige, dem Geschlechte nach getrennte Schulen in der Nähe der Kirche und am Wohnorte des Pfarrers vorzuziehen sind."

Bei den Entfernungen, die hier vorlagen, ist der Landrat für Antrag Schenke-May. An eine Teilung der Schulgemeinde dürfte aber nicht gedacht werden, sondern alle Kosten müssen von der ungeteilten Schulsozietät aufgebracht werden. Wegen der entstehenden Mehrkosten dürfte das Projekt Schenke-May nicht verworfen werden. Die kommende industrielle Entwicklung sei ein Grund zur Beschleunigung der Angelegenheit. Die Vorschläge Schenke-May seien so zweckmäßig, dass sie zur Grundlage der weiteren Verhandlungen dienen könnten.

Darauf hat der Oberpräsident auf Vorschlag des Regierungspräsidenten durch Verfügung vom 20.12.1873 den Bau der beiden Nebenschulen genehmigt. Die Regierung wird das Landratsamt in Recklinghausen an, mit dem Schulvorstande und der Gemeindevertretung über die Wahl und Erwerbung geeigneter Bauplätze und die genaue Abgrenzung der Schulbezirke in Verhandlung zu treten. die Kosten der Errichtung und Unterhaltung der Schulen sollen selbstredend der Schulgemeinde in ihrem gegenwärtigen Bestande zur Last fallen. Gegen diese Verfügung des Oberpräsidenten legte der Schulvorstand Rekurs beim Kultusministerium ein.

Dieser Rekurs wurde unterm 24.1.1874 vom Minister zurückgewiesen, weil die sehr weiten Schulwege tatsächlich den regelmäßigen Schulbesuch unmöglich machten. wenn die Gemeinde nachweislich zur Errichtung der Schulen unvermögend sei, so würde eine Beihülfe für die Besoldung aus dem durch den Staatshaushalt bereit gestellten Fonds bezahlt und für die Bauten eine Beihülfe aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds. Weiter verfügte der Minister, das die ganze Schulsozietät Kirchhellen die Kosten der beiden Schulen zu tragen habe.

Der Schulvorstand beschloss jetzt, dass die endgültige Entscheidung der Frage, wer die Kosten der neu einzurichtenden Schulen zu tragen habe, im Rechtswege herbeigeführt werden sollte und dass bis dahin die weitere Ausführung zur sistiern sei. Rechtsanwalt Peus, Dorsten, wurde darüber gutachtlich gehört. Sein Rat ging dahin, sich unter Vorbehalt mit der Einrichtung der Schulen einverstanden zu erklären und den Prozess erst nach Fertigstellung anzustrengen. Die Regierung beauftragte den Landrat den Schulkörperschaften mitzuteilen, dass die beabsichtigte Klage als zum Rechtsweg nicht geeignet, zurückgewiesen werden würde; weiter soll der Landrat die Körperschaften warnen, damit selbige sich nicht etwa für ungerechtfertigter Weise zu veranlassende Mandatur- pp. Gebühren haftbar machen."

In der Schulvorstandssitzung vom 12.12.1874 wird erneut über den Bau der Bauerschaftschulen verhandelt. Inzwischen hatten in den Bezirken Versammlungen der Hausväter stattgefunden.

Von den 69 Hausvätern in Holthausen hatten sich 21 gegen die neue Schule und 48 dafür erklärt. 21 waren für den von May vorgeschlagenen Platz an Defften Ziegelei,  21 waren für den Platz, den der Schreiner Schulte-Terhusen angeboten hatte, und 6 waren für einen noch zu ermittelnden Platz, der genau in der Mitte des Schulbezirks liegen müsse. Der Schulvorstand spricht sich für den Platz an Defften Ziegelei aus und dieser Platz wurde 1875 unter Amtmann Apffelstaedt von Kreul für 400 Taler erworben.


Entnommen aus: Hans Büning, Johannes Rottmann: Die Schulen Kirchhellens, Heft 12/13 der Schriftenreihe des Vereins für Orts-  und Heimatkunde.

Der Artikel "Die Gründung der Bauerschaftsschulen in Ekel und Holthausen (Grafenwald)" beschäftigt sich mit den Bemühungen, diese beiden Schulen entstehen zu lassen. Oben sind ist der Artikel nur in den Teilen wiedergegeben, die sich auf die Schule in Grafenwald beziehen.

1876 erfolgte dann der Bau der Schule.


letzte Änderung: 07.03.2007 Impressum - Datenschutz