Karl Wessels: "Leitsätze über 'Schule und Heimat' "

Leitsätze über "Schule und Heimat".
Reichsschulkonferenz 1920.

  1. Aus kulturellen, pädagogischen und sozialen Gründen ist der Heimatbildung in und außerhalb der Schule künftig größte Beachtung und Pflege zu widmen.
     
  2. Dem Bildungsideal der Heimatschule ist noch mehr als bisher zu entsprechen durch Einstellung allen Unterrichts auf den heimatkundlichen Grundsatz sowie durch eine zulängliche Stundenzahl für den heimatkundlichen Fachunterricht. Die Grundschule erteilt in den ersten 2 bis 3 Schuljahren heimatkundlichen Gesamtunterricht, sodann in mindestens 6 Wochenstunden heimatlichen Fachunterricht. Alle weiterführenden Schulen sollen das auf der Grundschule erworbene heimatkundliche Bildungsgut erweitern und vertiefen.
     
  3. Die Heimatschultechnik (Unterricht im Freien, Schulgarten und Gartenschulunterricht, Wanderunterricht, Besichtigungen usw.) ist in Stadt und Land entsprechend der besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen mit allen Mitteln auszubauen. Heimatbuch und Heimatkarte müssen in die Hand jedes Schulkindes gelangen. Die Beschaffung von Heimatbildern in jeder Form (Schmuck- und Anschauungsbild), Modell, Lichtbild, Film u. dergl.) soll nach Kräften gefördert werden. Die künftigen Lehr- und Lernbücher sind heimatlich zu gestalten.
     
  4. Dem Gesichtspunkt der Bodenständigkeit der Lehrer und Schulverwaltungsbeamten ist Beachtung zu schenken. Die Lehrerbildung muss alles Bodenständige zielbewusst ins Auge fallen. Die Lehrer sind mit der Heimaterkundung und Heimatforschung durch wissenschaftliche Einrichtungen vertraut zu machen. Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaften, heimatkundliches Wandern und Reisen sowie die Herausgabe von zweckmäßiger Literatur zur Heimatschule sollen in weitestem Maße gefördert werden.
     
  5. Der Ausbau der ländlichen und Jugendwohlfahrtsbestrebungen (Ferienkolonien, Landaufenthalt der Schuljugend, Austausch der Jugendlichen zwischen Stadt und Land, Ermäßigung der Eisenbahnfahrpreise bei Schülerfahrten und Unterrichtsreisen) liegt durchaus im Interesse der Heimatschule.
     
  6. Heimatbildung soll auch bei den nicht schulmäßigen Bildungsveranstaltungen (Volksbildungseinrichtungen, Volkshochschulen, öffentliche Büchereien, Museen) gepflegt werden. Natur- und Heimatschutzbestrebungen sind kräftig zu fördern.
     
  7. Die Heimatschule im weitesten Sinne und größten Maße zu verwirklichen, ist den Landesregierungen zur Pflicht zu machen; in allen Kreisen sind Heimatbüchereien, in jedem Bezirke eine heimatkundliche Beratungsstelle, bei jeder Universität Einrichtungen für heimatkundliche Forschungen und als oberste Stelle in Provinz und Land Heimatbildungsämter einzurichten.

Karl Wessels, Kirchhellen


Der Artikel von Karl Wessels erschien 1926 in den Gladbecker Blättern, Seite 48


letzte Änderung: 21.05.2009 Impressum - Datenschutz