Dieser Artikel von Karl Wessels erschien am 17. November 1927 vermutlich in der Gladbecker Volkszeitung.
Ein seltsames Wallheckenbild in Kirchhellen. Von Karl Wessels. Zwischen Berg und Wiesental erstreckten und dehnten sich Wallhecken von seltener Größe und eigenartiger Schönheit. Ein Weg und ein Wässerlein hatten eben Raum genug, sich hindurchzuschlängeln. Jetzt sind die Wälle zum größten Teil verschwunden. Der Bach ist begradigt. Ringsum sind geradlinige Acker- und Wiesenfluren. Schnurgerader Stacheldraht trennt mein und dein. Wahrhaftig, hier ist die Mahnung des Propheten - Was krumm ist, soll gerade, was uneben, ebener Weg werden - wortwörtlich befolgt worden. Nur ein geringer Teil ist dort, wo der Rücken des Nordhanges steil abfällt, wo sich wintertags der Schnee versteckt, um auf neuen zu warten, als Zeuge ehemaliger Wallheckenkraft und -Schönheit stehen geblieben. Auch seine Tage werden bald gezählt sein. Darum wollen wir die alte Hecke noch einmal besuchen, bevor sie stirbt. Schon beim Näherkommen erkennen wir bekannte Gesichter, Sträucher in leuchtender Herbsttracht. Wie bunt der Schlehdorn ist! Grün und gelb sind seine breitlanzettlichen Blätter. Nur schade, daß in diesem Jahre die "Schlehprumen" fehlten. Die schwarzen Brombeeren sind besser geraten. Wir kosten die glänzende Frucht. Obwohl die Wallhecke nur einen Sprung seitwärts der belebten Landstraße liegt, reifen hier die Beeren einsam. Wie warten, bis eine Hand die pflückt oder ein hungriges Schnäbelchen nach ihnen sich auftut. Das hastende Leben des Alltags hat seine Zeit zum Pflücken und behaglichen Schauen. Alle Welt tauft ihre "Wostdörnen" im Laden und ihre Brombeeren auf dem Markt. Doch still - tack, tack - eine Drossel warnt. Sie ist ständiger Gast der Wallhecke. Und wo die Brombeeren hohe Bogen werden und große Brennesseln in spröder Abwehr stehen, fürchtet der Vogel keinen Feind. In dem fest undurchdringlichen Gewirre bleibt für Haselnuß, Faulbaum und Heckenrose, Esche und Eberesche kaum noch Platz. Darum sind sie auch nur spärlich vertreten. Der Haselnußstrauch ist leer. Umsomehr fallen die männlichen Kätzchen auf, die ihre Blütezeit im Februar und März in Geduld erwarten müssen. Die Frucht der Heckenrose, die Hagebutte, unser Männlein im Walde, lacht in helle Sonnenlicht. Der Boden ist mit Efeu bewachsen. Einmal kam es wie Neid über den Immergrünen. Als wieder Frau Sonne, wie alltäglich lustig über den Bonacker lugte und die obersten Blätter vom Hartriegel tötete, musste der Efeu also: "So krieche ich nun geduckt über den schattigen Boden dahin, kalter Neben leuchtet meine Blätter, schaurig ist das!" Ein Lüftchen wehte vorüber, und ein Zittern begann auf der Wallhecke. Nicht nur das Espenlaub zitterte. Vom schönen Hartriegel oder Hornstrauch lösten sich sogar die Blätter und legten sich auf unseren Efeu. Doch die Ruhe war von kurzer Dauer. Der Wind pfiff heftiger und trieb das lose Volk vor sich her. "O Herr", dachte der Efeu, "So geht das? Dann will ich zufrieden sein mit meinem Lose und glücklich sein in meinem immergrünen Kleide." Nach einer Biegung der Hecke - Kurve! tönt's von der Landstraße her - sind Spaten und Beil dem Wall kräftig zu Leibe gegangen. Nur der Spindelbaum kämpft an verlassener Stelle zähe um sein bischen Leben. Zähe und hart ist auch sein Holz, das vor Jahrzehnten noch zu Schusterpinnen - daher Pinnholt - verarbeitet wurde. Für die Jugend hatten Kreisel, Isdöppe, aus dem Pinnholt einen besonderen Wert. Sie waren in der Tat fast unverwüstlich. Der Strauch, früher in Kirchhellen weit verbreitet, ist heute selten. Er ist an den jungen Trieben, die vierkantig sind und an den barettähnlichen winterharten Kapfelfrüchten leicht zu erkennen. Die Früchte sind schön rosarot, aber giftig. Auf der halben Höhe des Strauches sitzt eine Schnecke in ihrem Schneckenhaus. Eben streckt sie ihre Fühler heraus, äugt, dehnt sich und kriecht höher hinaus. Das geht gar nicht so langsam. Allerdings ein Schnelläufer ist sie nicht. Langsam und bedächtig kriecht sie dahin. Vor dem roten "Pfaffenkäpplein" macht sie halt, als wollte sie sich Zeit zum Staunen nehmen. Das Herbstbild von der alten Wallhecke ist wirklich schön. Möge es sich alljährlich erneuern! Ich weiß, die Besitzer möchten sie abtragen lassen, um ihre Wiesen ein wenig zu vergrößern. Doch dem Nutzen auf der einen Seite wird ein größerer Schaden auf der anderen Seite folgen. Die Nistgelegenheiten für unserer Singvögel verschwinden. In unseren Gärten nimmt die Raupenplage überhand und die Obsternte verringert sich von Jahr zu Jahr. Darum schon und schützt doch die letzte Wallhecke! |
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