Der Alte Postweg gehört mit zu den historischen Straßen Kirchhellens. Dr. Dickmann (Bottrop) meint, dass es sich hier sogar um eine prähistorische Straße handelt. Sie soll Teil einer Verbindung von der Nordsee über Duisburg (linksrheinisch die Siedlung "Asciburgium") nach Massilia (Marseille) gewesen sein.
Über diese Straße wurden das Nordseegold, der Bernstein - nicht nur die Ostsee lieferte diese Kostbarkeit - zum Mittelmeer transportiert und auf dem Rückwege Metalle nach Norden geschafft. Für die Richtigkeit dieser Annahme Dickmanns zeugt die Beschreibung dieses Handelsweges durch den Mönch Albert von Stade (1250).
Seit dem 16. Jahrhundert beförderte der "Münstersche reitende Bote" auf dieser Straße die Briefe der Bischöfe (Fürstbischöfe) über Dorsten - Kirchhellen - Oberhausen - Duisburg nach Köln. Seit 1722 verkehrte hier die "Münstersche Fahrpost" mit Reisenden über diese Strecke mit Anschluss nach Berlin.
Soweit die Kurzfassung der Geschichte des Alten Postweges aus dem Heft 17 des Vereins für Ort- und Heimatkunde Kirchhellen. In Heft 18 wird weit ausführlicher die Geschichte des Alten Postwegs beschrieben:
Eine der zwei historischen Straßen Kirchhellens ist der Alte Postweg. Er soll eine vorgeschichtliche Fernhandelsstraße, eine Römerstraße, eine mittelalterliche Heer- und Handelsstraße sowie eine Poststraße gewesen sein. Die Wissenschaftler wollen hierfür Beweise. Doch bisher sind nicht aufgefunden worden: der verlorene Bernsteinknollen und Metalle der bronzezeitlichen Metallhändler, die verlorene Sandale eines römischen Legionärs, das Wagenrad eines hansischen Frachtwagens und eine verlorene Donnerbüchse des Soldatentrupps, die der Jäger von Soest (Simplizius Simplizissimus) im 30-jährigen Krieg befehligte. Lediglich die "Poststraße" unterliegt keinem Zweifel.
Ob das im folgenden dargelegte Material als Indizienbeweis gelten kann? Entscheiden Sie! Ob die Straße uralt, ob sie jünger ist - sie ist eine alte Straße. Sie zeigt uns bunte, bewegte Bilder mit manchen interessanten Ausblicken in die Geschichte.
Tourneau schreibt in seiner Chronik zum Alten Postweg folgendes: "Landstraße von Dorsten auf Starkradt, Länge 2.820 Ruthen, führt durch EckeIs, Hardinghausen, Holthausen. Zustand: bei sandigem, mitunter sumpfigen Boden schlecht. Bemerkungen: Diese Straße führt beinahe auf ihrer ganzen Länge im Kirchspiel Kirchhellen durch Heide hinter den nebengedachten Bauerschaften und wird daher nur von wenigen Eingesessenen selbst benutzt und nur für die Post dient sie beinahe ausschließlich; sie hat demnach für das Kirchspiel fast gar keinen Werth und dennoch ist daßselbe zur Unterhaltung gezwungen, wofür es ein Wegegeld von durchschnittlich 25 rt. bezieht. Es ist verschiedentlich gebeten, die Post über die Straße ad 2 (Dorsten, Kirchhellen, Bottrop, die heutige L 623, d. V) zu führen, bisher aber ohne Erfolg."
Diese Straße hat, wie bereits gesagt, Geschichte!
In seinen Arbeiten" Vorgeschichte von Bottrop" und "Frühgeschichte von Bottrop und Umgebung" behandelt A. Dickmann auch die Bronzezeit, die vom damals neuen Werkstoff Bronze, bestehend aus Kupfer und Zinn, ihren Namen erhalten hat. Sie wird für unser Gebiet für den Zeitraum von 1800 bis 800 vor Christus angesetzt. Kupfer und Zinn wurden in Germanien nicht gewonnen. Sie kamen aus fernen Ländern.
"So übernahm der bereits im Endneolithikum (Jungsteinzeit, d. V. ) beginnende Handel und Verkehr die Vermittlerrolle. In dem sich während der Bronzezeit stärker entwickelten Betriebe erwuchs auf der Westseite der Ruhrmündung mit einem Brückenkopf auf der Ostseite des Rheins als Haupt-, Stapel- und Hortungsplatz das weithin bekannte, von den Römern zu einem Kastell ausgebaute Asciburgium. Hierhin bildete sich von Bremen aus noch vor Abklingen der Bronzezeit der später von Albert von Stade (1256) beschriebene Handelsweg, auch für die Bernstein- und Metalltransporte, über die Ems durch das Münsterland auf Dorsten zu, wo er die Lippe überschritt. Von dort lief die Verbindung in gerader Richtung durch die Kirchhellener Heide im Zuge des Alten Postweges Münster- Bonn, also durch den Vernewald und über den Osterfelder Waghals beziehentlich die Emscherfurt zwischen Furtmann und Eschenbrock auf den asciburgischen Brückenkopf bei Werthausen-Duisburg zu. Dieses prähistorische Verkehrsband leitete dann rheinaufwärts an Flussläufen entlang bis zu dem im 7. Jahrhundert (vor Christus, d. V) von griechischen Phökäern gegründete Handelszentrum Massilia (Marseille) an der Rhonemündung weiter, wohin Kupfer aus Cypern und Spanien auf dem Seewege geschafft wurde."
Wird die Theorie Dickmanns erhärtet? Dickmann hat übersehen, dass der von Albert von Stade beschriebene Weg nicht über Dorsten, Kirchhellen, Duisburg führt, sondern in Lüdinghausen südwärts schwenkt, über Sülsen (bei Olfen, SeIm), Alt-Oer, Recklinghausen nach Lippernheide und weiter nach Duisburg. Nicht unwahrscheinlich, ja geradezu naheliegend halte ich es jedoch, dass ein Zweig der Straße von Lüdinghausen über Haltern nach Dorsten, das nach H. Krüger einen günstigen Übergangspunkt abgab, und über Kirchhellen nach Duisburg und Asciburgium (Asberg) führte.
Ist es nicht delikat, zu erfahren, dass der römische Geschichtsschreiber Tacitus - ca. 55 bis 120 n. Christus - in seiner "Germania" Asciburgium als eine Gründung des Odysseus erwähnt?! Na, ob das stimmt? Selbst wenn er dem Odysseus um nahezu 2.000 Jahre näher stand als wir, scheint diese Behauptung "dichterische Freiheit" zu sein. Bedeutende Wege- und Handelsforscher lassen aber keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der Alte Postweg eine alte Fernhandelsstraße darstellte, mag sein Ursprung auch nicht im vorgeschichtlichen Raum gelegen haben. Schuchardt fügt seinem Abschnitt "Bronzezeit" eine Kartenskizze bei, die, wenn auch grob, so doch eindeutig erkennen lässt, dass ein vorgeschichtlicher Handelsweg von der Nordsee (Bereich Hamburg) über Asciburgium - und so wohl über Kirchhellen - nach Marseille geführt hat.
Bei Poeschel wollen wir nur die Karte sprechen lassen (Seite 15).
Hennig setzt übrigens das Bestehen eines massiliotischen Weges, eines Handelsweges nach Massilia, voraus. Er sagt: "Er lief von der Rhone entweder am Genfer See und durchs Aaretal oder durch die Burgundische Pforte zum Oberrhein, legte die Rheinfahrt zu Schiff bis in die Duisburger Gegend zurück und suchte von dort aus auf Überlandwegen zur UntereIbe zu gelangen."
Eine Bestätigung der Theorien gegen Bruns-Weczerska im Kapitel 34. Zum Verlauf der Handelsstraße Münster- Köln äußern sie sich u.a.: "Von da (Haltern, d. V) ab verlief die alte Landstraße den Stielerschen Karten von 1840 und 1850 zufolge am rechten Ufer der Lippe entlang über Lippramsdorf und westseitig an Hervest hin auf Dorsten. Weiterhin gab ihr die Wasserscheide zwischen Lippe und Emscher die Richtung über Kirchhellen auf Sterkrade und - sei es über Lippern oder über Neumühl-Ruhrort - auf Duisburg."
Diese bereits vorhandene Straße haben sich mit Sicherheit auch die Römer bei ihren Angriffskriegen gegen die rechtsrheinischen Germanen zunutze gemacht. Wiederholen wir zunächst ein wenig Geschichte:
Im Jahre 12 v. Chr. begann die Römer-Offensive unter Drusus und Tiberius; im Jahre 9 n. Chr. erlitt Varus im Teutoburger Wald die vernichtende Niederlage; von 14 bis 16 n. Chr. führte Germanicus mehrere Rachefeldzüge, die jedoch zu keiner Eroberung auch nur eines Teils des rechtsrheinischen Germaniens führte.
Die Forschung hat das Vorhandensein des Alten Postwegs zur Römerzeit bestätigt. Dass sie von den Römern angelegt worden ist, ist unwahrscheinlich, da sie in Nord-Süd-Richtung verläuft. Schneider schreibt in seiner Arbeit "Local-Forschungen über die römischen Gränzwehren, Heerstraßen, Schanzen. . . zwischen Lippe und Ruhr" auch über die von ihm als Nr. 2 bezeichnete römische Heerstraße: Diese hat, von Xanten kommend, bei Schermbeck die Lippe überschritten, die ". . . sich am Fuße der Hardt vorbei, wo noch mehrere Grabhügel liegen, bis zur Kirchheller Heide" fortsetzt, " wo die Straße in die Provinz Westfalen eintritt". Damit sind wir auf dem Alten Postweg in römischer Zeit. Auf den Lippeübergang, der aus einer Brücke bestand, muss noch besonders aufmerksam gemacht werden. Dickmann zitiert P. Clemen, der sagt: "Die von Betera (Xanten) auf Schermbeck führende große Heerstraße setzte südlich vom Hofe Grünewald (etwa 1 km östlich des Bahnhofs Schermbeck), . . . westlich von Dorsten, wo in den 1890er Jahren noch Balkenköpfe einer alten Brücke, wahrscheinlich der im Jahre 11 vor Zeitenwende erbauten Drususbrücke, zu sehen waren, über die Lippe, geht am Schafkamp und am Fuße der Hardt vorbei, um dann fast nordsüdwärts bei Heisterkamp in die Kirchhellener Heide einzumünden. "
Auch Cassius Dio, römischer Historiker griechischer Abstammung, ca. 150 bis 200 n. Chr., weiß vom Bestehen einer Brücke. Er schreibt nämlich: "Mit Frühlingsanfang aber brach er (Drusus) wieder zum Kriege auf, überschritt den Rhein und unterwarf die Usipeter, schlug eine Brücke über die Lippe und fiel in das Land der Sugambrer ein. "
Ich habe unsere Straße auch als eine Fernhandelsstraße bezeichnet. Nachdem wir ihren überörtlichen Rang festgestellt haben, dürfte ihr dieses Prädikat zustehen. Denken wir nur an die Hanse, einer Kaufmannsgenossenschaft, die sich im 14. Jahrhundert bildete. Zu den über 100 Städtemitgliedern gehörte auch das uns benachbarte Dorsten. Eine hansische Handelsstraße war auch der Postweg.
Wir dürfen annehmen, dass hochbeladene Frachtwagen über den Alten Postweg Güter nach Nord und Süd, nach Ost und West, vornehmlich wohl in den osteuropäischen Raum gebracht haben. Wenn der Stifter der Feldhausener Kirche in der Stiftungsurkunde der Vikarie von 1472 schreibt, dass er zum Bau der Kirche durch Reichtum, den er durch glücklichen Handel erworben hat, in die Lage versetzt wurde, so darf angenommen werden, dass er sich hierbei der Hansestadt Dorsten bedient hat.
Verschiedentlich ist bereits auf die langjährige und bedeutende Funktion der Straße als Poststraße hingewiesen worden, die ihr dann auch den heute noch geltenden Namen Postwegeingetragen hat.
Die Handelsstraßen stellten regelmäßig die ersten Poststraßen dar. Fleitmann vermutet, dass die Strecke Münster- Köln über Dülmen, Dorsten, Duisburg, Düsseldorf bereits vom Jahre 1554 an von münsterschen Beamten offensichtlich regelmäßig benutzt worden ist. Er verweist auf die im Staatsarchiv Münster befindliche Reisekostenrechnung eines Dr. Ochs vom Jahre 1554. In dieser Rechnung ist auf einer Rückreise von Köln nach Münster eine Übernachtung in Kirchhellen für den 11./12. Oktober 1554 erwähnt. Für Bier und Kost hat Dr. Ochs 21 Albus (Weißpfennige) ausgegeben (100 Weißpfennige ca. 1 Rthl. ).
Doch Kölner Sendboten, die den Lübecker Hansetag besuchten, haben bereits 1553 den Alten Postweg benutzt. Sie werden nicht die ersten gewesen sein. In der Aufzählung der Orte ist Kirchhellen namentlich genannt.
1649 bereiste der Kardinal Fabio Chigi, der nachmalige Papst Alexander VII., mit der "Fahrenden Post" auf seiner Fahrt von Münster nach Aachen den Alten Postweg. Er erlebte die böse Überraschung, dass die Zisterzienserinnen in Sterkrade ihm und seinem Gefolge für die Nacht keine Unterkunft gewährten. Dies spielte sich außerhalb Kirchhellens, wenn auch nahe der Grenze ab.
Da wir gerade den Kardinal Chigi im Visier haben, wollen wir noch weiteres von ihm erfahren. Als päpstlicher Gesandter zu den Abschlussverhandlungen des Dreißigjährigen Krieges hielt er sich längere Zeit in Westfalen auf. In seiner westfälischen Ode hat er unser Land behandelt. Schlecht kommt ein westfälisches Nahrungsmittel weg, das heutigentags weltweit als Delikatesse gilt. Hören wir:
Einkehr gemacht wurde unterwegs in rauchiger Hütte. Neben den Öchslein nahmen wir Platz und begannen zum Scherze schimmlige Brocken zu essen, geschnitten von schwärzlichem Brote. "Pompernickel", so nennt der Westfale dies Brot, eine Speise für den Ackersmann kaum, nur für den Ärmsten des Volkes genießbar.
Wir denken heute anders über dieses Brot, unseren inzwischen nunmehr weltbekannten Pumpernickel.
Der bremische Syndikus Dr. Wachmann erwähnt in seinem Reisebuch, dass er auf seiner Reise zum Pfalzgraf von Neuburg und zurück im Jahre 1665 Kirchhellen berührt habe.
1763 hat der Vestische Postmeister Rive "mit einigen blasenden Postillionen und einer Eskadron Dörstenschen Schützen" den Fürstbischof Clemens August an der Station Blotekamp (heute Blotekamp/Wienert) auf seiner Fahrt nach Münster empfangen. Der gegenüber liegende alte Ziehbrunnen weist in der steinernen Einfassung die Jahreszahl 1723 auf.
Goethe passierte den Alten Postweg in der Postkutsche am 6. Dezember 1792. Er hatte an der missglückten alliierten "Kampagne in Frankreich" teilgenommen, hatte Jacobi (Friedrich Wilhelm Jacobi, Philosoph, 1743-1819) in Düsseldorf besucht und war auf dem Wege nach Münster zu der schöngeistigen Fürstin von Gallitzin und ihrem Kreis. Der Alte Postweg ist ihm in unguter Erinnerung geblieben. Denn er schreibt: "Ich sollte. . . bei schrecklichem Weg und Wetter mich wieder in die wilde wüste Welt hinauswagen. . . " , und ". . . denn auf der Fahrt von mancherlei Hindernissen aufgehalten, gelangte ich erst tief in der Nacht zur Stadt" (Münster). Dort hat er die Nacht auf einem Stuhl zubringen müssen.
Haltestellen der Post befinden sich auf Kirchhellener Gebiet bei Hötten (damals Liesenklas) und bei Blotekamp. Blotekamp, so schreibt Karl Wessels in der Kirchhellener Volkszeitung vom 8.4.1927, soll Stallungen - man höre und staune! - für 60 Pferde gehabt haben.
Reitende Post nimmt Fleitmann auf dem Alten Postweg für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts bis 1794 an. Eine regelmäßige Personenpost wird seit 1665 vermutet, die nach zeitweiliger Unterbrechung 1679 wieder eingerichtet wurde. 1832 hat man die alte Route, den Alten Postweg, verlassen und die Straße Dorsten - Bottrop, die heutige L 623, die durch das Dorf Kirchhellen führte, benutzt. Ausgebaut wurde die neue Poststraße allerdings erst 1846/47.
Der "Jäger von Soest" (Simplizius Simplizissimus von GrimmeIshausen) schreibt, dass er "einstmals mit 25 Feuerröhren nicht weit von Dorsten . . . einem Convoy mit etlichen Fuhrleuten" aufgelauert habe. Dass dieser genannte Tatort mit dem Alten Postweg identisch ist, dürfte als sicher gelten.
Bleiben wir beim Dreißigjährigen Krieg. - In den dreißiger Jahren fragte ein aus Norddeutschland stammender Herr den späteren Bürgermeister Heinrich Grewer nach dem Schwedenfriedhof. Grewer musste sich besinnen und fragte zurück, ob er den" Veehkerkhoff", den Vieh"friedhof", meine. Dann erinnerte er an die Erzählungen seines Opas über die furchtbaren Drangsale, die die Kirchhellener im Dreißigjährigen Kriege u.a. von den Schweden zu erleiden hatten. Sie wandten die Mittel an, die ihnen den über Jahrhunderte währenden schlechten Ruf eingebracht haben, so auch den "Schwedentrunk", Jauche, die dem geständnisunwilligen Opfer zwangsweise eingeflößt wurde, Splitter unter die Fingernägel und das Ablecken der salzbestrichenen Fußsohlen durch Ziegen. Das waren Torturen, die abgrundtiefen Hass erzeugten. Im nahen Mülheim lagen kaiserliche Truppen, die über den Alten Postweg Nachschub erwarteten. Hiervon erfuhren die Schweden. Sie gedachten den Transport abzufangen. Das schwedische Vorhaben blieb den Kirchhellenern wiederum nicht verborgen. Sie unterrichteten die Kaiserlichen. Den Schweden wurde erfolgreich ein Hinterhalt gelegt und alle bis zum letzten Mann niedergemacht.
Dort, wo das geschah, wurden sie verscharrt. Es ist der Platz, an dem noch vor wenigen Jahren das Bitumen-Mischwerk gestanden hat. Doch damit nicht genug, die verbitterten Kirchhellener vergruben dort künftig ihr verendetes Großvieh.
Das Heimatmuseum in Bottrop bewahrt eine für unsere Gegend seltene Deckelurne auf. Sie stammt aus einem zerstörten bronzezeitlichen Urnenfriedhof. Dieser befand sich am Alten Postweg unweit des Hofes Langweg (Vienken). - Im Jahre 1930 fand Wilhelmus Basten bei Rodungsarbeiten auf dem Grundstück Eulering-Spring nicht weit vom Alten Postweg in der Höhlung eines in der Erde steckenden Baumstumpfes einen Holzschuh, der rund 700 Münzen barg. Die erfassten Münzen, meist Stüber und Achtheller, stammten aus der Zeit zwischen 1609 und 1659. Da ein Teil der Münzen aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege stammt, scheint das Versteck im Zusammenhang mit dem französisch-niederländischen Krieg (1672/73) zu stehen. Kirchhellen hatte in diesem Krieg durch die Franzosen "infolge Brandstiftung, Raub und Mord" viel zu leiden, obwohl der Landesherr, der Kurfürst von Köln, Verbündeter der Franzosen war. - 1924 wurden bei Kultivierungsarbeiten, welche die GHH auf dem ihr gehörenden Gut Fernewald durchführen ließ, eine Anzahl Silbermünzen aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts gefunden. Die Ländereien des Guts erstrecken sich bis an den Alten Postweg. Hier mögen Soldaten oder Marodeure ihre Münzen verloren haben.
Verwundert es, dass die Sage ihr Netz über den Alten Postweg geworfen hat? Den "Caesars Berg" sowie den "Schwedenfriedhof" haben wir bereits erwähnt. Im Ortsteil Ekel befindet sich unmittelbar am Postweg ein Hochmoor gleich dem Kletterpoth, das im Volksmund "Mönchskuhle" heißt. In alter Zeit soll dort ein Mönchskloster gestanden haben. Die Mönche führten entgegen der Klosterregel ein lasterhaftes Leben. Während eines Unwetters spaltete sich die Erde und verschlang das Kloster mitsamt den Insassen. In die Einbruchstelle sickerte das Wasser ein. Und so bildete sich die Mönchskuhle. - Bis zum Ende des letzten Krieges hing in der Gastwirtschaft Beckmann an der Grafenmühle ein verrosteter Säbel. Man erzählt hierüber, dass er von dem Soldaten-(?)-Friedhof stammt, der am "Bohrlochweg", dem Weg Rotbachtal, wenige hundert Meter abseits des Alten Postweges, liegt. Hier sollen Marodeure aus der Napoleonischen Ära begraben sein, die von gepeinigten Grafenwäldern niedergemacht worden sind.
In der Nähe des Alten Postweges, unweit der Siechenkapelle, hat der Menschenfresser Franz Wahmann gelebt. Er ist zum Tode durch das Rad verurteilt und 1699 in Dorsten hingerichtet worden.
Dass der lange Weg auch einem Hof den Namen gegeben hat, verwundert nicht und sei nicht unerwähnt. Langweg heißt er. Er ist in der Schatzungsliste (Steuerliste) von 1574 namentlich aufgeführt.
Lassen wir hierzu nur Goethe sprechen, der - allerdings im Winter - von einem "schrecklichen Weg" spricht. - Wie sollte es bei fehlendem bzw. unzureichendem Unterbau anders sein! Pfützen, tiefe Wasserlöcher, Sumpflöcher, mangelnde Vorflut, tiefer Sand, mangelhafte Brücken, Reparaturen nur Flickwerk mit Reisig, Erde, Lehm. Das waren Anlässe zu stetem Ärger, zu andauerndem Streit mit dem Wegekommissar. In einem Schreiben an den Kurfürsten von 1741 wird der Weg zur "Winderzeit" als "nicht passabel" bezeichnet. 1778 erklärt der zuständige Postmeister, dass "wegen gänzlichen Verfall dreyer auf dem Postweg und der Seiken Heide ohnweit der Stadt Dorsten belegenen Brücken erbermlich geklaget werde."
Diese reine Sandstrecke - sie existiert in einem Rudiment heute noch - gibt nur einen blassen Schimmer des damaligen Zustandes wieder. Der Streckenbereich ab "Cäsars Lager" gehört zum neuen Naturschutzgebiet "Postwegmoore".
Aus den uns vorliegenden Karten ist zu schließen, dass die Streckenführung keine wesentlichen Änderungen erfahren hat, abgesehen von den etwa zweieinhalb Kilometern vor Dorsten. Hier muss der Weg etwa ab Cäsars Lager einst unpassierbar geworden sein. Daran könnten die vorerwähnten drei Brücken gerüttelten Anteil haben. So wurde der Weg über den Hardtberg geführt. Die Karte I zeigt beide Äste des Weges gleich stark gezeichnet. In der topographischen Karte von 1842 (Karte II) ist nur die Nordroute über den Hardtberg dick gezeichnet, die alte südliche Route ist nur angedeutet.
Zur Verlegung der Fahrstrecke bedurfte es der Genehmigung des Nachbarstaates Cleve, denn unfern nördlich der Wegegabel verlief die Grenze zwischen Kurköln und Cleve.
Ab 1963 wurde der Alte Postweg bis zur Gahlener Straße großzügig mit Seitenstreifen ausgebaut. Das Verkehrsaufkommen stieg erheblich. Dazu hat auch der am Alten Postweg neu erstandene Schacht Prosper 10 beigetragen. Die Straße wurde zu einer Schnellstraße mit dem besonderen Gefahrenpunkt "Kreuzung Dinslakener Straße" . Hier wurde eine Beampelung durchgeführt. Im Zuge des Ausbaus entfiel die Durchfahrt durch Grafenwald im Bereich der Grafenmühle bis Klüsener. Der Alte Postweg umging die Wohnbebauung völlig. Nun ist noch mit dem Bau eines Radfahrweges begonnen worden.
Mit Tourneau haben wir begonnen, mit ihm wollen wir das Kapitel Alter Postweg ausklingen lassen. Tourneau hat seine Aufzeichnungen noch einige Jahre fortschreiben müssen. So heißt es in seiner Chronik ab 1832 wie folgt:
"Anlaß einer Anzeige der Postbehörde, daß die Straße auf Starckradt nicht mit Seitengräben versehen und nicht mit Bäumen bepflanzt sei, wurde ein oder anderes von der Gemeinde verlangt. - Hiergegen wurde aber lebhaft demonstriert und die Verlegung der Postroute über die andere Straße wiederholt beantragt. Es hatte dies zur Folge, daß das General-Postamt sich endlich damit einverstanden erklärte und nur eine bessere Instandsetzung der letzteren verlangte. - Es wurde diese sofort im Laufe des Sommers veranlaßt und bei dieser Gelegenheit im Kirchheller Feld die Wegebreiten auf 21 Fuß (= 6,59 m, d. V.) ohne Gräben festgesetzt und durch Einsenken von Steinen in der Mitte künftigen Einengungen vorgebaut t. "
Für 1832: "Mit 1. July wurde die alte Poststraße verlassen und jene über Kirchhellen (Dorf, d. V) in Benutzung genommen. Mit der Instandsetzung wurde nunmehr desto eifriger fortgefahren. "
Für 1833: "Fortsetzung der Arbeiten an der neuen Poststraße" (heutige L 623).
Für 1835: "Es wurden neben gewöhnlicher Reparatur a) auf einer Strecke von 180 Ruth. eine Sommerfahrbahn auf dem Postwege in der Siechenheide mitteIst einer 1 Zoll dicken Lehmdecke in dem dortigen Sande angelegt. "Für 1839: ". . . der vom Staate übernommenen Anlage der neuen Brücke in der Siechenheide. . . "
Für 1840: "Bei Theilung der Kirchheller Marck sind folgende öffentliche Wege, welche von den Interessenten zuvor in Stande gesetzt werden müssen, ausgewiesen: . . . 2. die alte Poststraße von Dorsten auf Starckrath 42 F. ( = 13,18 m, d. V. ) breit" (Alter Postweg).
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letzte Änderung: 04.02.2010 | Impressum - Datenschutz Quelle |