Wie sich die Bemühungen um die Sicherstellung des Gehaltes von Dr. Sunder über Jahre hinweg erstreckten, so erwies sich die Finanzierung der Gesamtbaukosten auch als eine Herausforderung für die junge Rektoratsgemeinde über Jahrzehnte. Dies soll im folgenden ausführlich beschrieben werden, um die großen Anstrengungen unserer Vorfahren für die "erste" Kirche zu würdigen.
In der Versammlung am Palmsonntag 1899 freuten sich die Erschienenen über den Baufortschritt des Kapellengebäudes und das Näherrücken der Einweihung. Es wurde aber auch das Problem der Baufinanzierung nach dem Stand der Rohbaufertigstellung angesprochen. Insbesondere darüber, dass es zum Ausgleich der fälligen Rechnungen erforderlich sei, die bei der Haussammlung 1895 gezeichneten Beträge einzuholen. Der erste Gang zum Einholen der Gelder sei gemacht. Etwa 10.000 Mark wären gezahlt worden. Man war der Meinung, dass beim Einholen der noch anstehenden Rate einige Tausend Mark mehr gezahlt würden. Allerdings wurde auch festgestellt, dass einzelne Personen, die eine kleine Summe angelobt hatten, ihrem Versprechen untreu geworden waren.
Die Zusammenstellung der bereits eingegangenen Rechnungen und der noch auszuführenden Arbeiten ergab eine zu erwartende Bausumme von 60.000 Mark. Wie diese Mehrkosten von 10.000 Mark über den kalkulierten Kosten von 50.000 Mark zustande kam, lässt sich aus den Unterlagen nicht mehr eindeutig feststellen. Eine Einzelaufstellung der Vergaben und der tatsächlichen Kosten liegen nicht vor. Aus dem Schriftverkehr des Baukomitees ist zu ersehen, dass Mehrkosten wahrscheinlich durch den Transport der Baumaterialien (ausgenommen Steine) mit Pferdefuhrwerken entstanden sind. Vom Bahnhof in Kirchhellen bis zur Baustelle der Kirche war eine Wegstrecke von ca. 1 1/2 Stunden eingeplant. Durch Wartezeiten, nach Verspätung der Güterzüge oder anderen terminlichen Schwierigkeiten, verlängerte sich diese angenommene Zeit erheblich. Aus einem Prüfbericht der Bischöflichen Behörde geht weiter hervor, dass die Anlage eines Sakristeischornsteins, der Grundanstrich von Wand und Gewölbe der Kapelle sowie die Pflasterung um die Kapelle in der Kostenermittlung nicht berücksichtigt worden waren.
Die Finanzierung des ermittelten Fehlbetrages der Baukosten bereitete dem Baukomitee wieder einmal große Sorgen. Es war für die Überwachung des Baues und der Abwicklung der geschäftlichen Angelegenheiten allein zuständig. Damit war das Komitee auch für die Finanzierung verantwortlicht.
Dadurch, dass 20.000 Mark in der Finanzierung fehlten und die tatsächlichen Baukosten um 10.000 Mark überschritten worden waren, fehlten mindestens 30.000 Mark nach Fertigstellung der Kirche in der Abrechnung der Baukosten. Kaplan Heinrichs stellte dazu fest, dass die Bewohner im Kapellenbezirk, mit einer Ausnahme, alle dem Arbeiterstand angehörten und erfreulicherweise schon verhältnismäßig große Opfer für den Kirchbau erbracht haben. Man könne von ihnen nicht noch mehr verlangen. Und die Pfarrgemeinde Kirchhellen habe jegliche Beihilfe abgewiesen.
In Anbetracht dieser Situation hatte die Bischöfliche Behörde einer
Kirchenkollekte im Dom zu Münster auf Antrag des Kaplan Heinrichs zugestimmt und
in Aussicht gestellt. Wegen der großen Zahl der schon zugesagten Kollekten bis
in das Jahr 1900 musste diese Kollekte zu Gunsten des Grafenwälder Bauvorhabens
verlegt werden. Erst am Fest Maria Lichtmess, 1903 konnte sie abgehalten werden.
Mit einem Sammelergebnis von 15.922,30 Mark war dem Baukomitee zunächst sehr
geholfen.
Kaplan Heinrichs hatte vor seiner Versetzung nach Burlo einen Antrag
beim Oberpräsiden der Provinz Westfalen gestellt. Aus großer Geldknappheit bat
er ihn, eine Hauskollekte bei der katholischen Bewohnern der Provinz durchführen
zu dürfen. Dieser Antrag wurde am 6. Februar 1899 genehmigt:
Für alle eingegangenen Rechnungen stand der erforderliche Betrag am Tag der Fälligkeit nicht immer auf dem Baukonto zur Verfügung. Eine Kreditaufnahme über eine Bank konnte nicht vorgenommen werden, da das Kirchengrundstück noch nicht auf die Gemeinde Grafenwald im Grundbuch umgeschrieben war. Das Baukomitee hatte durch Schuldschein und mit Bürgschaft 15.000 Mark in Anspruch genommen. Für Zinsleistungen hatte das Bischöfliche Generalvikariat zwischenzeitlich 1.080 Mark an den Rektor Dr. Sunder überweisen. Eine Zeitlang wurde der Kapitaldienst für die Restschuld von der Mutterpfarre Kirchhellen geleistet.
1910/11 war geplant, dass Grafenwald eine selbstständige Pfarre werden sollte. Den Rest Bauschuld von 12.000 Mark aus den Jahren 1898/99 und den Kapitaldienst wollte die Pfarrgemeinde Kirchhellen übernehmen. Daneben sollte eine Abfindungssumme von 25.000 Mark unter der Voraussetzung gegeben werden, dass die Kaplaneistelle von Rektor Dr. Sunder wieder der Pfarrkirche Kirchhellen zugewiesen werde. Dazu kam es aber nicht, sondern die Bildung einer eigenen Pfarrgemeinde erfolgte erst 1919.
Mit Pfarrerhebung 1919 musste die neue Gemeinde Heilige Familie Grafenwald die Restschuld von 12.000 Mark übernehmen. Die vereinbarte Abfindungssumme von 35.000 Mark wurde von der Mutterpfarre Kirchhellen nicht gemäß Abpfarrungsurkunde vom 14.05.1919 eingezahlt. In diese schwierige Zeit der Geldwirtschaft wurde der betrag erst am 01.07.1920 überwiesen. Bis zum Tag der Einzahlung war die Abfindungssumme auf einen realen Wert von 3.870 Mark zusammengeschmolzen. Es war für die junge Gemeinde ein denkbar schlechter Start.
Über die verspätete Realisierung der Mitgift gab es über viele Jahre hinaus Meinungsverschiedenheiten. Erst 1931 zog das Bischöfliche Generalvikariat einen Schlussstrich.
Die Auszahlung der Restsumme wurde der Mutterpfarre bis 1940 gestundet. Durch den Neubau ihrer Kirche war die Pfarre St. Johannes vorübergehend selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Pfarrer Bernhard Franke (1938-1967) war es vorbehalten, die Frage der Mitgift 1941 endgültig und abschließend zu regeln.
Die Restschulden von 12.000 Mark aus dem Bau der Kirche und des Pfarrhauses musste die neue Pfarre Heilige Familie allein tilgen. Dabei half vor allem die Familie Söller durch Gewährung eines Kredites.
größtenteils entnommen aus: Johannes Lanfermann: 100 Jahre Kirche Grafenwald, 1999
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